Tag 41 – Meeting

Heute steht mein erstes Meeting mit Hörimplantat im Kalender. Als User Experience Designer sitze ich sehr häufig in Meetings. Konzepte, Designs und Texte müssen mit Projektmanagern, Programmieren und Visual Designern abgestimmt werden. In Team-Meetings wird die Wochen-, Monats- oder Quartalsplanung besprochen und es werden neue Features oder Entwicklungen vorgestellt, die für meinen Job relevant sind. Mein Team sitzt derzeit überwiegend in Walldorf, dem Hauptsitz meines Arbeitgebers in der Nähe von Heidelberg. Manche Mitarbeiter sind aber an anderen Standorten, beim Kunden oder im Homeoffice tätig und deshalb werden viele Meetings via Audio- oder Videokonferenz abgehalten.

Für hörgeschädigte Menschen sind Meetings ein Worst Case. Es sind meist viele Personen anwesend, die Räume sind oft sehr groß und man kann das Mundbild aller Beteiligten nicht gut lesen. Meistens werden Präsentationen oder Arbeitslisten via Beamer auf die Leinwand gespielt, so dass ich zumindest halbwegs mitbekomme, worum es geht. Diskussionsdetails entgehen mir aber fast immer. Bei Online-Meetings bin ich dann komplett hilflos. Mundablesen geht hier meistens nicht und selbst in Videocalls sind Bild und Ton oft nicht synchron, was für mich ein totaler Showstopper ist.

Ich werde oft gefragt, wie ich denn mit dieser Höreinschränkung überhaupt so lange erfolgreich in meinem Job tätig sein kann. Ich kann diese Frage nicht wirklich gut beantworten. Man bekommt recht viel mit, wenn Präsentationen auf dem Beamer gezeigt werden oder wenn dort Dokumente für alle sichtbar bearbeitet werden – wie zum Beispiel Statustabellen, in denen beim Meeting eingetragen wird, welche Aufgabe wo steht und was besonders wichtig ist. Auch Protokolle, die häufig nach Meetings verschickt werden und das Beschlossene und Nicht-Beschlossene zusammenfassen, helfen sehr. Und ganz ehrlich: Vieles, was in Meetings gesagt wird, ist überflüssig. Es wird sehr viel wiederholt. Es wird häufig im Kreis diskutiert, ohne dass etwas Sinnvolles dabei herauskommt. 30% von Online-Meetings gehen meistens für das Einstellen von Video oder Audioübertragung oder das Lösen von Verbindungsproblemen drauf.

Hallo, kann man mich hören? Ich höre euch nicht. Sehe aber einen Blumentopf. –  Ja das ist mein Blumentopf, ich stelle die Kamera mal um. – Was hast du gesagt? – Ich habe ein Echo. –  Hallo hat das Meeting schon angefangen? – Sorry ich muss eben noch aufs Klo. – Test 123 Test 123 – Will jemand Kaffee? – Kann man das Rauschen abstellen? – Ich wähle mich nochmal neu ein. – Mein Mikrofon ist auch kaputt – Können wir ein anderes Meetingsystem verwenden? – Weiß jemand, wo die Agenda liegt? – Ich habe jetzt einen Mac, wie kann ich das Bild größer machen? – Ich muss jetzt leider schon wieder raus. 

So läuft es nicht immer, aber viele werden diese Abläufe kennen. Heute lief es besser. Am Meeting nahmen 5 Personen teil, die per Webcam zugeschaltet werden. Und ich habe nahezu ALLES verstanden. Selbst dann, wenn das Mundbild kurz nicht zu sehen war, weil die Übertragung hing oder ein Bildschirminhalt eingeblendet wurde, konnte ich folgen. Das wird mein Berufsleben deutlich einfacher und komfortabler machen – bislang konnte ich nur per Chat kommunizieren. Und ich freue mich tatsächlich auf das nächste Meeting.

Tag 40 – Remote

Mein Soundprozessor hat verschiedene Hörprogramme und Paramter, die ich je nach Situation mit der dazugehörigen Fernbedienung auswählen kann:

  • Mein Standard-Hörprogramm. Dieses nutze ich zu 90% im Alltag.
  • Ein Hörprogramm mit einer alternativen Kodierungsstrategie – siehe dazu Tag 34; Finetuning. Das ist aktuell weniger relevant, kann aber eine Alternative werden, wenn ich mich an das erste Programm richtig gewöhnt habe.
  • Ein Programm, das „rundum“-Hören ermöglicht. Die Mikrofone fokussieren dabei nicht den frontalen Bereich, sondern arbeiten omnidirektional. Das nutze ich so gut wie gar nicht.
  • Ein Musikprogramm, das die Kompression der Töne stark verringert – Sprache verstehe ich damit etwas schlechter, aber zum Musik hören habe ich es immer an.
  • Drei Möglichkeiten für die Nutzung der T-Spule, mit der ich Induktions- oder Bluetoothsignale vom Smartphone, Computer oder von einer Induktionsschleife empfangen kann:
    • Geräteinput aus
    • Geräteinput ein plus Umgebungsgeräusche ein
    • Nur Geräteinput
  • Eine Lautstärkeregelung, die sich auf alle Programme auswirkt.
  • Regler für die Geräuschempfindlichkeit (mehr/weniger)
  • Eine Reset-Taste, welche die Lautstärke- und Geräuschempfindlichkeitsregelung auf die Standardeinstellung zurücksetzt.

Am Soundprozessor selbst kann ich gar nichts einstellen. Weil sich der Soundprozessor auch nach Batterieentnahme nicht auf das Standardprogramm und die Standardparameter zurücksetzt, bin ich ohne Fernbedienung aufgeschmissen. Denn oft höre ich Abends noch mit dem Musikprogramm Musik und vergesse dann vor dem Einschlafen, wieder das Standardprogramm einzuschalten. Vermutlich wurde auf einen Schalter am Soundprozessor verzichtet, weil dieser eine zusätzliche mögliche Defektquelle ist. Oder aber auch wegen des Gerätedesigns. Dieses Feature fehlt mir jedenfalls sehr und ich muss lernen, die Fernbedienung einfach immer dabei zu haben. Schön wäre es, wenn zumindest nach dem Ausschalten des Soundprozessors wieder die Standardeinstellungen vorhanden wären – quasi als Not-Reset, wenn man die Fernbedienung nicht dabei hat. Eventuell werde ich auf eigene Kosten eine Ersatz-Fernbedienung kaufen und im Auto platzieren, um für den Not- oder Verlustfall gewappnet zu sein. Ansonsten müsste ich zum Med-El-Service fahren, um den Standard wieder herzustellen.

Heute kam endlich das rote Audio-Kabel, das ich alternativ zur Verbindung mit Laptop oder Smartphone nutzen kann. Dieses Kabel dämpft die Umgebungsgeräusche auf 10% herunter; die Töne aus dem verbundenen Gerät sind damit deutlich lauter. Ich hatte gehofft, dass ich damit besser Schlagzeug zur Musik spielen kann. Aber das Schlagzeug ist auch dann, wenn nur 10% übertragen werden, zu laut und übertönt die Musik aus dem jeweiligen Gerät. Optimal wäre es, wenn ich selber einstellen könnte, wieviel Prozent Umgebungsgeräusche und wieviel Prozent vom jeweiligen Gerät übertragen würden – das geht aber nicht. Schlagzeug spielen geht also nur mit der T-Spule, die den Sound per Bluetooth überträgt und die Umgebungsgeräusche komplett ausstellt. Immerhin höre ich das Schlagzeug damit noch ein wenig und das Spielen zur Musik macht dennoch großen Spaß.

Tag 39 – Mut

Manchmal braucht man einfach Mut. Mut, etwas Neues auszuprobieren. Mut zu einer Cochlea-Implantat-Operation. Mut zu einem zweiten CI. Und Mut, das Telefon in die Hand zu nehmen und sich zu trauen, Anrufe zu tätigen.

Ich hatte in den letzten Jahren weitgehend kapituliert, wenn es um meine Ohren und mein Hören ging. Ich hatte kapituliert, wenn ich in Gesprächsrunden mit Nachbarn, Freunden oder in Meetings saß. Ich hatte kapituliert beim Versuch, Englisch zu verstehen. Ich hatte kapituliert, wenn es um die Beantragung der Kostenübernahme für neue Hörgeräte durch die Krankenkassen ging. Zwar habe ich bislang alle Hörgeräte vollständig bezahlt bekommen, aber das war immer ein sehr anstrengender und langer Kampf mit den Krankenkassen, die nur einen Festkostenanteil für Standard-Geräte übernehmen, mit denen mal nicht viel machen kann – normalerweise verfügen diese noch nicht einmal über die Möglichkeit, Smartphone oder Handy über Zusatzverstärker anzuschließen. Und einen Eigenanteil von ca. 4.000 Euro kann man auch nicht mal so eben aus der Portokasse bezahlen. Ich hatte einfach keine Energie mehr, gegen das Nicht-Hören zu kämpfen.

Das ist jetzt anders. Ich versuche viel und auch wenn nicht alles klappt und ich immer schwerhörig sein werde, erlebe ich tagtäglich neue Erfolge. Vor manchen Dingen habe ich immer noch Angst und muss mich überwinden, sie anzugehen. Vielleicht aus Gewöhnung oder vielleicht auch aus Angst, dass ich scheitere.

Das ist zum Einen Englisch. Ich denke schon, dass ich mittlerweile gut verstehen kann, wenn mein Gegenüber langsam und deutlich spricht. Ich traue mich aber noch nicht, es wirklich intensiv zu testen. Von meiner Logopädin im Deutschen Hörzentrum habe ich ein paar gute Tipps bekommen, wie ich Englisch trainieren kann:

  • Hörbücher besorgen und die Bücher mitlesen. Man sollte darauf achten, keine gekürzten Varianten zu erwerben. Ich werde hier wohl erst einmal mit leichter Kost anfangen, zum Beispiel mit den amüsanten Kurzgeschichten von Roald Dahl.
  • Englische Nachrichtensendungen anschauen. Ein englischsprachiger Freund hat mir hierfür BBC empfohlen.
  • 50 Languages – das ist ein Online-Service zum Sprachen lernen. Hier wird natürlich sehr langsam und deutlich gesprochen. Auch wenn mein schriftliches Englisch fließend ist, lerne ich hier bestimmt gut, wie die Sprache korrekt ausgesprochen wird.

Das andere schwieriger Thema ist Telefonieren. Einerseits klappt es schon ganz gut, andererseits habe ich nach 30 Jahren ohne Telefonieren immer noch einen Heidenrespekt davor und versuche, Telefonate nach Möglichkeit zu umgehen. Heute habe ich mich nach ein bißchen Zureden der ErstBestenHälfte dann aber doch getraut und Junior II angerufen, um zu fragen, wann ich ihn von seinem Schulfreund abholen kann. Und es hat funktioniert, auch wenn es etwas schwierig war, weil andere Kinderstimmen im Hintergrund zu hören waren.

Ich muss mich einfach überwinden, das Telefon ab jetzt häufiger in die Hand zu nehmen und es einfach zu versuchen. Sicherlich werde ich nicht alles verstehen und manche Telefonate werden in die Hose gehen. Ich werde auch nur dann telefonieren, wenn ich halbwegs fit bin und mein Smartphone mit dem Zubehör verbinden kann, das mir den Ton direkt in den Soundprozessor speist. Das bedeutet, ich werde Telefonate auch nur dann annehmen, wenn es wirklich passt. Und ansonsten zurückrufen.

Tag 38 – Low

Ich spüre erst heute, wie anstrengend die letzte Woche gewesen ist. Positiv anstrengend natürlich – aber ich bin immer noch geschafft und habe wenig Lust auf Hörtraining. Natürlich wollen alle um mich herum testen, wie gut ich jetzt nach der Erstanpassung höre. Das ist nachvollziehbar und ich möchte auch niemanden enttäuschen. Manchmal braucht man aber einfach einen Tag oder ein paar Stunden Ruhe und Pause, denn das Zuhören erfordert nach wie vor hohe Konzentration. Alltag ist auch eine ganz andere Herausforderung ist als die Laborbedingung im Deutschen Hörzentrum, in dem man sich wie in einem geschützten Raum bewegt. Im Alltag gibt es mehr Geräusche, mehr unvorhergesehene Situationen und vor allem mehr Menschen, mit denen man redet.

Am Morgen steht ein Flohmarktbesuch im Nachbarort auf dem Programm – wir wollen dort Pflanzen für den Garten kaufen. Das klappt super – es ist schön, bei der Beratung am Gräser-Stand fast alles zu verstehen. Beratungsgespräche waren für mich bislang immer sehr schwierig, weil es oft um fachliche Details geht, bei denen man schlecht kombinieren kann und alles genau verstehen muss. Auch das wird jetzt einfacher.

Anschließend geht es zum Fußballspiel mit Junior I. Die Fußballeltern kenne ich seit ca. 8 Jahren und ich habe mich bislang noch nie so gut am Spielfeldrand unterhalten können. Ich traue mich jetzt auch nachzufragen, wenn ich etwas in laufenden Gesprächen nicht verstehe. Früher habe ich das nur gemacht, wenn jemand direkt mit mir gesprochen hat. Nicht aber, wenn ich mich in ein laufendes Gespräch einschalten wollte – da hätte ich ständig dazwischenfunken müssen.

Den Rest des Tages höre ich wieder mal Musik. Lenny Kravitz, den ich sehr gerne mag, hat ein neues Album herausgebracht. Low ist der erste neuerschienene Song, den ich mit Implantat höre – und er gefällt mir hervorragend, wie auch der Rest seines neuen Albums. Neu erschienene Musik habe ich bislang ja gemieden. Das wird sich jetzt ändern.

Am Abend schaue ich mit Junior I erst die Tagesschau und dann den ersten Harry Potter Film im Fernsehen. Eigentlich schaue ich nur sehr wenig TV und Junior I ist für Harry Potter auch schon etwas zu alt, aber er läuft gerade und wir sind zu faul, und etwas anders rauszusuchen. Ich bin verwundert, wie sehr die Untertitel vom tatsächlich Gesagten abweichen. Zwar verstehe ich noch lange nicht alles – vor allem dann, wenn das Mundbild nicht sichtbar ist oder die Darsteller in Wirklichkeit Englisch reden. Manchmal verstehe ich aber schon ganze Sätze oder einzelne Wörter, die erstaunlich von der Untertitelung abweichen. Natürlich muss man Untertitel anpassen, damit man mit dem Lesen mitkommt. Aber dass auch die Wortreihenfolge in Sätzen anders ist oder dass Schimpfwörter radikal zensiert werden, ist mir vorher noch nicht aufgefallen. Ich hoffe, dass ich Untertitel irgendwann nicht mehr brauchen werde, oder zumindest nicht immer.

Tag 37 – Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Um 8:30 steht heute der vorerst letzte Feinanpassungstermin auf dem Plan. Weil ich etwas verschlafen habe, leiste ich mir eine Taxifahrt für die kurze Strecke vom Hotel zum Sprachzentrum. Der Taxifahrer ist sehr nett und wir unterhalten uns kurz über mein Hörimplantat. Das ist auch etwas Neues: Ich kann mich mit Taxifahrern unterhalten und es macht Spaß.

An Einstellungen des Soundprozessors selbst ändern wir nichts mehr; ich möchte lediglich herausfinden, warum die T-Spule gestern im Museum nicht funktioniert hat. Leider finden wir keinen Fehler; manchmal klappt das Zusammenspiel von Soundprozessor und T-Spulen-Empfänger einfach nicht. Ich werde dies demnächst mal in offentlichen Gebäuden testen, die eine Übertragung per Induktion anbieten.

Vor dem Sprachtest besorge ich noch einen kleinen Blumenstrauß für die nette Dame im Sekretariat des Deutschen Hörzentrums, die sich trotz einer sehr vollen Woche mit sehr vielen Patienten immer sehr viel Mühe gegeben hat, alle meine Anliegen zu erfüllen – wie auch alle anderen Mitarbeiter dort. Sie freut sich sehr.

Dann wird mein Sprachverständnis getestet – vom Lautsprecher ohne Lippenlesen bei normaler Gesprächslautstärke. Ich bin etwas müde und das Ergebnis fällt zwar insgesamt gut, aber dennoch etwas achlechter als erwartet aus:

Das Störgeräusch war sehr laut und unangenehm – und vor allem unnatürlich. Bei allen vorherigen Übungen mit meinen Hörtraining-Apps habe ich deutlich besser abgeschnitten. Insgesamt dennoch ein beachtlicher Erfolg. Es gibt allerdings noch viel zu tun.

Dann geht es zur abschließenden ärztlichen Untersuchung. Die Narbe ist gut verheilt und das Implantat sitzt gut. Was mich besonders freut: Der Implantation des linken Ohres steht aus ärztlicher Sicht nichts mehr im Wege. Anfang Oktober wird auch das linke Ohr mit einem Hörimplantat versorgt werden. Ich freue mich darauf!

Tag 36 – Telefon

Heute vormittag steht kein Termin im Deutschen Hörzentrum auf dem Plan. Ich schlafe also mal wieder richtig aus, frühstücke in Ruhe und mache dann noch ein paar Hörübungen mit Minimalpaaren. Das sind Wörter, die bis auf einen Buchstaben identisch sind – Wein/Bein, Bier/Hier, Laden/Lagen. Das ist nach wie vor die schwierigste Übung, aber ich verstehe hier mittlerweile etwa 70 – 80%. Wenn teilweise auch erst nach mehrfachem Anhören.

Das Mittagessen lasse ich wegen des opulenten Frühstücks ausfallen und um 13 Uhr steht der nächste Anpassungstermin auf dem Plan. Das zweite Programm mit der parallelen Kodierungsstrategie, bei der mehrere Elektroden gleichzeitig angespielt werden, setzen wir einen Tick lauter, weil es trotz gleicher Lautstärke leiser klingt als die separate Anspielung der Elektroden. Generell geht man davon aus, dass man erst nach 4 Wochen beurteilen kann, ob ein Hörprogramm besser funktioniert als das andere. Der Fokus liegt erst einmal auf der Standardkodierung und ich werde nach ca. 4 Wochen die alternative Kodierungsstrategie für einen mehrwöchigen Zeitraum testen.

Es ist übrigens falsch anzunehmen, dass mehr Elektroden automatisch ein besseres Hören ermöglichen. Theoretisch könnte man ein Implantat mit 100 Elektroden bestücken – aber der Hörnerv kann nicht so gezielt mit Strom stimuliert werden, dass dies Sinn machen würde. Jede Elektrode meines Implantates deckt einen gewissen Frequenzbereich ab und kann deshalb auch unterschiedliche Töne generieren – bei mir sind es ca. 250. Im schnellen Zusammenspiel aller 12 Elektroden meines Implantates entsteht dann ein Soundbild, das sich für mich gut und natürlich anhört – und wesentlich besser ist als das Klangbild der Hörgeräte.

Ich habe in einem früheren Beitrag schon geschrieben, dass es sehr schwierig ist, die verschiedenen Hörprogramme, Kodierungsstrategien und Einstellungen miteinander zu vergleichen. Man kann auch kaum allgemeine Aussagen dazu machen, welches Programm besser oder schlechter ist – weder bei einem Produkt noch bei einem Vergleich verschiedener Implantate. Denn jeder hörgeschädigte Mensch hört anders schlecht. Was bei einem gut funktioniert, kann beim anderen schlechter sein. Dazu kommt, dass man selbst keine verschiedenen Implantate ausprobieren kann. Man entscheidet sich für eines und dieses bleibt dann im Kopf drin. Es gibt also keine objektive Vergleichsmöglichkeit für verschiedene Produkte. Dass man lange braucht, um sich an ein Hörprogramm zu gewöhnen, ist ein weiteres Problem bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit verschiedener Produkte und Einstellungen. Letztendlich verlässt man sich auf die Erfahrung der Audiologen, Langzeitstudien, die CI-Träger mit jeweils einem Implantat beobachten und das Bauchgefühl des Patienten.

Wir experimentieren noch ein wenig mit verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten beim zweiten, parallel geschalteten Programm und haben dann für den Anfang alles durchprobiert, was derzeit möglich ist. Ich habe morgen noch einen Termin für den Fall, dass mir heute im Lauf des Tages noch etwas auffällt, denke aber, dass ich mit den aktuellen Einstellungen erst einmal gut fahre. Besonders toll bei der Anpassung war, dass ich wirklich alle Fragen beantwortet bekommen habe. Mich interessiert die Technik sehr und ich versuche zu verstehen, was genau in meinem Ohr passiert. Auch wenn ich nicht alles verstehe, weil Physik nicht mein bevorzugtes Steckenpferd ist und einiges nicht nachvollziehen kann, weiß ich jetzt doch deutlich genauer, wie Implantat und Soundprozessor zusammen arbeiten.

Anschließend geht es wieder zum Hörtraining. Wir machen ein paar Übungen mit Minimalpaaren und ich werde morgen ein paar Wortlisten mit auf den Weg bekommen, mit denen ich zuhause weiter üben kann. Dann steht ein erstes Telefongespräch auf der Agenda. Ich habe große Angst vor der Telefonsituation, weil Telefonieren für mich schon seit circa 20 Jahren nicht mehr möglich ist und ich mich mit dem Hörer am Ohr immer hilflos fühle. Für das erste Gespräch bekomme ich einen Gesprächsleitfaden, der ein Telefonat mit einer Arztpraxis simuliert, in der es um eine Terminvereinbarung für ein EKG geht. Meine Rolle ist der Patient; meine Logopädin wird die Sprechstundenhilfe übernehmen und geht dafür in einen Nebenraum. Ich schließe mein Smartphone mit dem Audiokabel an den Soundprozessor an und warte auf das Klingeln, dann nehme ich das Gespräch an.

Und ich verstehe ALLES. Bei zwei Antworten muss ich einmal nachhaken. Die Gesprächslautstärke ist normal und auch die Sprechgeschwindigkeit meiner Logopädin ist relativ normal, vielleicht etwas langsamer. Natürlich spricht sie sehr deutlich, aber ich hätte nicht im Traum gedacht, dass ich überhaupt einmal wieder so gut telefonieren kann. Und schon gar nicht so schnell. Ein Riesenerfolg, der mich wirklich überwältigt.

Direkt nach der Sitzung rufe ich meine ErstBesteHälfte an und wir führen das erste richtige Telefonat überhaupt. Ich verstehe sie sehr gut und auch wenn ich ein paarmal nachfragen muss sind wir beide so gerührt, dass wir kaum wissen, was wir sagen sollen. Wer hätte das gedacht. Telefonieren klappt nach knapp 5 Wochen mit Cochlea-Implantat und 4 Tage nach der ersten Erstanpassungs-Sitzung. Ich brauche ein paar Minuten, um das zu verarbeiten.

Später am Nachmittag steht eine vom Deutschen Hörzentrum organisierte Museumsführung im Museum August Kestner auf dem Programm. An dieser Führung nimmt auch eine weitere CI-Patientin teil, die ich gestern im Deutschen Hörzentrum kennengelernt habe. Bei der Museumsführung soll die Telespulenfunktion getestet werden, die bei vielen öffentlichen Veranstaltungen angeboten wird. Der Sound der vortragenden Person wird dabei per Induktion in den Soundprozessor geleitet; man braucht dafür nur einen Empfänger, der um den Hals gehängt wird. Leider funktioniert die Übertragung bei mir nicht; ich werde morgen den Med-El-Service im Hörzentrum dazu befragen. Dennoch nehme ich an der Führung teil. Es geht um altägyptische Kultur und Kunst und ich verstehe jedes Wort der Museumsführerin. Ohne Lippenlesen geht es noch nicht, aber ich kann tatsächlich eine Stunde lang einem Vortrag folgen, ohne dabei zu ermüden und hinterher k.o. zu sein. Auch das ist ein toller Erfolg.

Nach der Museumsführung, die übrigens hochinteressant war, treffe ich noch eine ehemalige Mitpatientin, die ich während meines Krankenhausaufenthaltes vor 4 Wochen kennengelernt habe. Auch sie ist etwas schwerhörig und wurde im Mittelohr operiert. Wir unterhalten uns knapp vier Stunden lang in einer wirklich lauten Café- und später Restaurantumgebung und auch wenn ich am Ende etwas müde werde, verstehe ich auch hier fast jedes Wort, obwohl das Besteckgeklapper neben meinem Ohr wirklich furchtbar laut ist.

Was für ein Tag. Telefonieren. Museumsführung. Cafégespräche. Und das alles mit einem seit 5 Wochen elektrisch hörenden Ohr. Wahnsinn.

Tag 35 – Schau mir in die Augen, Kleines

Ein voller Hörtag! Er beginnt mit einer weiteren technischen Sitzung bei meinem Audiologen. Die hohen Frequenzen werden noch ein klein wenig abgeregelt, um den Zischeffekt bei scharfen Konsonanten und Knistergeräuschen zu verringern. Das ist ein schwieriger Balanceakt – einerseits will man natürlich komfortabel und so normal wie möglich hören, ohne dass bestimmte Frequenzen hervorstechen. Andererseits will man so viel wie möglich hören. Für mich sind insbesondere diese hohen Frequenzen, Konsonanten wie S, Ch, SCH, K, P oder F ein tolles Hörerlebnis, weil dieser Lautbereich von den Hörgeräten nicht abgedeckt werden konnte. Im Hochtonbereich höre ich besonders schlecht und selbst mit einer Hörverstärkung von 80 Dezibel konnten die Hörgeräte diese Frequenzen nicht hörbar machen. Ich habe diese Töne also Jahrzehnte lang nicht gehört und die Freude darüber, dass ich sie wieder wahrnehmen kann, ist weitaus größer als das Zischen, das sich ein bißchen wie eine Übersteuerung eines Verstärkers anhört, bei dem die Höhen zu stark eingestellt sind. Ich gehe auch davon aus, dass ich mich erst einmal wieder an diese hohen Frequenzen gewöhnen muss und dass mein Gehirn die gefühlsmäßige übersteuerte Höhenwiedergabe irgendwann ausblendet. Momentan ist das alles neu und auf neue Dinge achtet das Gehirn besonders stark.

Es wird eine weitere Messung gemacht, bei der ich die Lautstärke der einzelnen Elektroden nicht mehr nacheinander separat auf einer Skala von sehr leise bis sehr laut einschätze, sondern es werden fünf verschiedene Töne unterschiedlicher Tonhöhe nacheinander abgespielt. Meine Aufgabe besteht darin, die Lautstärke dieser fünf Töne zu vergleichen und auf einen identischen Level zu bringen. Das ist bei unterschiedlichen Tonhöhen gar nicht so einfach. Das Endergebnis dieser Einstellung gefällt mir allerdings weniger gut – der Sound ist etwas dumpfer und weniger klar und ich habe das Gefühl, damit etwas schlechter zu verstehen. Also kehren wir wieder zu den vorherigen Einstellungen zurück, mit denen ich von Anfang an gut gefahren bin und justieren die Höhen noch ein klein wenig herunter.

Generell ist es sehr schwierig, auf Anhieb oder in kurzer Zeit zu entscheiden, mit welcher Einstellung man am besten hört. Man braucht Zeit, um sich an ein neues Hörgefühl zu gewöhnen. Das kann Wochen oder sogar Monate dauern – und dies macht die Einstellung von Hörgeräten oder auch Soundprozessoren so schwierig. Auch Alltagssituationen lassen sich im Labor nur bedingt nachstellen. Letztendlich ist das Bauchgefühl sehr wichtig – man muss sich mit dem Hörprogramm wohlfühlen und es akzeptieren. Manche Dinge oder Einstellungsparameter werde ich voraussichtlich erst nach mehrmonatiger Eingewöhnungszeit ausprobieren und beurteilen können, wenn mein Gehirn sich noch etwas besser an das Implantat gewöhnt hat. Der Plan ist also, es generell bei den Grundeinstellungen zu lassen, die wir gestern zusammen festgelegt haben und damit weiter zu experimentieren. Die alternative Kodierungsstrategie wird dann in 3 oder 6 Monaten nochmal ein Thema werden.

Vom Tisch ist erst einmal das Thema Hybridversorgung. Der Soundprozessor ist gleichzeitig auch ein Hörgerät und kann kombiniert verwendet werden – die hohen Töne werden ins Implantat geschickt und die tiefen wie beim Hörgerät ins Ohr geleitet. Mein Hörvermögen war schon vor der Implantation so schlecht, dass ich hier kaum einen Vorteil erzielen werde. Durch die Operation wird das Resthörvermögen in der Regel um weitere 10 bis 15 Dezibel verschlechtert, so dass ein Erfolg hier sehr unwahrscheinlich ist. Und es kann bis zu 6 Monate dauern, bis das vorhandene Restgehör sich nach der Operation wieder regeneriert. Ich vermisse das Ohrpassstück und den Schall im Ohr auch nicht wirklich und beschließe, dieses Thema erst einmal abzuhaken. Das Hören rein über den Soundprozessor ist hervorragend und ich brauche aktuell keine weitere Baustelle, die das Thema mit geringer Erfolgsaussicht noch weiter verkompliziert.

Nach dieser Anpassungssitzung gibt es eine Informationsveranstaltung der Hannoverschen Cochlear-Implant-Gesellschaft e.V. Dies ist eine Selbsthilfegruppe von CI-Trägern, die sich um Belange implantierter Menschen kümmert. Ich lerne ein paar sehr nette Menschen kennen, die ebenfalls vor kurzem implantiert worden sind und bekomme einige wertvolle Tipps von Hellmuth, der die Veranstaltung leitet. Es geht um Hörerfolge, Tipps im Umgang mit der Bürokratie und auch einfach darum, sich ein bißchen auszutauschen, was gut tut – auch wenn ich mich ein bißchen wie ein Alien fühle, weil mein rapider Hörerfolg wirklich sehr außergewöhnlich ist. Man bekommt fast ein schlechtes Gewissen gegenüber anderen Implantat-Trägern, die weitaus mehr mit dem CI zu kämpfen haben.

Direkt nach dem Mittagessen findet dann eine weitere Hörtrainigssession bei meiner Logopädin, statt. Ich hatte bei den gestrigen Hörtrainings, die ich am Nachmittag mit den Hörtrainigs-Apps durchgeführt habe, aufgeschrieben, mit welchen Wörtern oder Buchstabenkonstellationen ich Probleme habe. Es sind überwiegend weiche Konsonanten mit darauffolgenden dunklen Vokalen, die schwierig zu verstehen sind: Mango, Maracuja, Melone aber auch Wörter wie Potsdam, Oldenburg oder Maurer bereiten mir noch Probleme. Auch die Unterscheidung zwischen d, b und g ist schwierig – laden, laben, lagen. Ich habe hier noch viel Arbeit vor mir; die Erfolgsaussichten sind aber sehr gut. Toll ist, dass ich auch schon ganze Sätze ohne Mundbild verstehe und kurze Geschichten, die mir vorgelesen werden. Ich hätte vor der Implantation nie für möglich gehalten, dass dies überhaupt irgendwann einmal möglich sein wird. Natürlich muss ich mich noch sehr konzentrieren und ich werde nie normal hören können. Aber die Verbesserung im Vergleich zu den Hörgeräten ist immens und meine Lebensqualität ist schon nach fünf Wochen mit dem CI eine ganz andere Liga.

Ich werde meinen Gesprächspartnern jetzt auch endlich in die Augen schauen können. Stark hörgeschädigte Menschen sind meistens auf das Lippenlesen angewiesen und schauen dem Gegenüber in Gesprächen deshalb nicht in die Augen, sondern auf den Mund, was die Kommunikationssituation etwas unpersönlicher macht. In die Augen habe ich Menschen eigentlich nur dann geschaut, wenn ich selber gesprochen habe – oder wenn ein Blick mehr sagen sollte als 1000 Worte. Meine Umgebung ist daran gewöhnt, aber generell reagiert man eher etwas konfus, wenn es keinen Augenkontakt zum Zuhörer gibt. Für mich ist jetzt das direkte Gespräch mit Augenkontakt beim Zuhören ungewöhnlich – die Situation wirkt auf mich besonders intim und ich habe ein bißchen das Gefühl, als würde ich beim Zuhören flirten. Ich werde meine Logopädin morgen besser mal fragen, ob ich zu lange oder zu intensiv in ihre Augen geschaut habe – vor dem Hintergrund der #metoo-Debatte kann man mit so etwas ja nicht vorsichtig genug sein.

Nach dem Hörtraining gibt es im Deutschen Hörzentrum eine Informationsveranstaltung zu technischem Zubehör. Es gibt Richt- und Tischmikrofone für Meetings, Lichtblitzanlagen für Tür und Telefon inklusive Rauchmeldern und noch vieles mehr. Lichtwecker mag ich persönlich nicht – diese Teile blitzen beim Alarm mit hoher Lichtintensität und ich träume kurz vor dem Aufwachen dann immer, dass ich fotografiert werde, was ich direkt am Morgen gar nicht mag. Also benutze ich einen Vibrationswecker, der unter dem Kopfkissen liegt. Das klappt prima. Die Rauchmelder werden direkt beantragt: Das Deutsche Hörzentrum stellt die Verordnung direkt aus und der technische Berater kümmert sich dann um die Weiterleitung zur Krankenkasse. Für das berufliche Equipment, das insgesamt etwa 10.000 Euro kosten wird, wird das Integrationsamt aufkommen. Dazu schreibe ich mehr, wenn die Geräte im Einsatz sind.

Anschließend bin ich k.o. Es geht es zurück ins Hotel und ich lege mich für ein paar Stunden aufs implantierte Ohr. Dann wird noch ein bißchen Blog geschrieben und gegen 23 Uhr drehe ich noch eine kleine Runde durch das nächtliche Hannover, tanke das Auto an einer Nachttankstelle und freue mich darüber, dass ich die unfreundliche Tankstellenfrau, die per Kopfhörer und Mikrofon durch die geschlossene Tür kommuniziert, gut verstehe. Vor lauter Freude schicke ich sie gleich dreimal durch den Laden, um etwas Schokolade zu besorgen. Ach, und eine kleine Tüte Chips. Und Cola brauche ich noch, sorry, vergessen. Verstehen kann Spaß machen und ein bißchen Bewegung schadet auch schlecht gelaunten Tankstellenfrauen nicht.

Tag 34 – Finetuning

Der Tag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück im Hotel auf dem Medical Center in Hannover, wo ich während der Erstanpassungswoche untergebracht bin. Anschließend geht es zur Audiometrie: Einem Hörtest mit eingeschaltetem Soundprozessor. Das Ergebnis ist ausgezeichnet: Ich nehme Töne in allen Frequenzen ab ca. 15-20 Dezibel wahr.

Dann steht der erste Hörtrainingstermin bei einer Logopädin auf dem Plan. Lisa ist, wie eigentlich alle Mitarbeiter im Deutschen Hörzentrum. sehr nett und die Zusammenarbeit mit ihr macht mir viel Spaß. Wir testen mein Hörverständnis ohne Lippenablesen und auch hier ist das Ergebnis viel besser als nach so kurzer Zeit erwartet. Neben einem Mini-Tablet mit zwei Hörtrainingsapps, das ich bis Freitag ausgeliehen bekomme, erhalte ich sehr hilfreiche Materialien und Tipps für das Hörtraining

  • OLCIT (Oldenburger Cochlea Implantat Trainer) ist eine frei erhältliche Hörtrainings-App für Windows und Apple-Rechner, die mir sehr gut gefällt. Man kann sich hier Einsilber, Zahlen, Sätze und vor allem Sätze ohne Sinn (Peter zeichnet Schnitzel mit Apfelmus an die Wände) als Männer- oder Frauenstimme vorlesen lassen. Die Lautstärke ist einstellbar und man kann zusätzlich verschiedene Störgeräusche (Mensa/Cafe, Straßenlärm, Rauschen) in mehreren Schwierigkeitsstufen hinzuschalten. Die Bedienung ist sehr einfach.
  • Auf dem ausgeliehenen Tablet ist eine Hörtrainings-App des Deutschen Hörzentrums installiert. Diese App ist nicht für Patienten erhältlich. Das macht aber nichts, weil die Umsetzung relativ lieblos ist. Die Lautstärke der vorgelesenen Wörter variiert stark, ohne dass man dies als Benutzer ändern kann. Das mag für den ein oder anderen Sinn machen; ich persönlich mag diese App nicht.
  • Eine weitere App auf dem Tablet ist das VIANNA Hörbuch. Diese App enthält eigentlich nur mp3-Dateien mit verschiedenen Verstehensübungen. Dazu gibt es eine Arbeitsmappe, mit der man die verschiedenen Übungen nachlesen und eintragen kann, was man verstanden hat. Das ist ein bißchen wie ein Lernbuch mit CD und funktioniert sehr gut. Die Übungen sind sehr anspruchsvoll und fordern mich stark heraus – zum Beispiel gilt es, ähnlich klingende Worte wie laden/laben/lagen oder Mappe/Matte/Macke auseinanderzuhalten. Auch ganze Sätze oder Zeitungsartikel werden vorgelesen. Die Übungen sind sehr vielfältig und das Arbeiten mit der Mappe dürfte vor allem älteren Menschen, die mit Apps überfordert sind, deutlich mehr Spaß machen.
  • Ein toller Tipp sind die langsam gesprochenen Nachrichten der Deutschen Welle. Die normalen Nachrichten werden hier noch einmal besonders langsam aufgezeichnet und eignen sich perfekt für ein Hörtraining in deutscher Sprache.
  • Auch die Empfehlung, Hörbücher anzuhören ist eine tolle Idee. Ich werde mir am besten Hörbücher von Büchern besorgen, die ich schon kenne. Das kann man dann auch prima beim Autofahren ausprobieren – auch wenn Musik hier für mich wohl immer Vorrang haben wird.

Nach dem Hörtraining geht es direkt zu einem weiteren Anpassungstermin bei meinem Audiologen. Der Anpassungsplan des Deutschen Hörzentrums sieht nach der Erstanpassungswoche, in der tägliche Sitzungen möglich sind,  weitere Termine nach 3, 6 und 12 Monaten vor – anschließend sind jährliche Sitzungen geplant. Ich kann aber immer zusätzliche Termine vereinbaren, wenn ich das Gefühl habe, dass ich eine Korrektur der Soundprozessor-Einstellungen benötige.

Heute lerne ich, dass die Reset-Taste meiner Fernbedienung  den Soundprozessor nicht auf das Standardprogramm zurücksetzt, sondern lediglich die Lautstärke und Geräuschempfindlichkeitsparameter auf die Standardparameter einstellt. Das ist bei meinen Hörgeräten immer anders gewesen und bedeutet eine Umgewöhnung, weil ich den Soundprozessor jeden Morgen manuell auf das Standardprogramm zurücksetzen muss, wenn ich tagsüber oder Abends mit verschiedenen Programmen experimentiert habe. Kein großes Problem, aber halt eine Umgewöhnung.

Ich erfahre außerdem, dass normale Gesprächslautstärke bei etwa 65 Dezibel stattfindet und der Soundprozessor erst ab ca. 25 Dezibel aktiv wird. Grund dafür ist, dass die Anzahl der Elektroden des Implantats begrenzt ist und die Hauptkapazität der Rechenleistung im Soundprozessor auf das Verstehen von Sprache gelegt wird. Dennoch höre ich übrigens auch leise Geräusche gut – wie zum Beispiel Vogelzwitschern, die Eieruhr oder der hochschnellenden Toaster.

Wir probieren dann eine neue Kodierungsstrategie des Implantats aus: Bei der Standardeinstellung wird jede Elektrode einzeln mit Strom angespielt. Das kann man sich vorstellen wie ein Klavierstück, das mit nur einem Finger gespielt wird. Dieser Finger ist allerdings rasend schnell und erzeugt – zumindest bei mir – ein wirklich gutes Hörverständnis. Die neue Einstellung, die auf ein zweites Programm gelegt wird, damit ich die beiden verschiedenen Kodierungsstrategien vergleichen kann, bespielt mehrere Elektroden parallel – es kommt also ein zweiter Finger zum Klavier hinzu, der ebenso schnell ist, aber etwas leiser spielt. Dadurch bekommt man theoretisch mehr Hörinformationen; allerdings leidet die Klarheit der Töne ein wenig. Ob man mit der einen oder anderen Kodierungsstrategie besser hört, ist von Patient zu Patient unterschiedlich.

Sehr gespannt bin ich auf das neue Musikprogramm, das die Kompression des Soundprozessors stark zurückfährt. Kompression bedeutet, dass zum Beispiel überlaute Geräusche oder Umgebungsgeräusche stark komprimiert bzw. unterdrückt werden, damit man Sprache besser versteht. Der Soundprozessor filtert also quasi ein wenig vor, damit man sich auf die wichtigen Geräusche im Sprachbereich fokussieren kann. Beim Musikhören kann das natürlich störend sein. Mein neues Musikprogramm filtert deutlich weniger vorab und ich bin sehr gespannt, wie sich das später anhören wird.

Nach dem Anpassungstermin gehe ich Mittagessen und dann teste ich den ganzen Nachmittag lang die neuen Soundprozessoreinstellungen mit den Hörtrainings-Apps. Das Verstehen ist insgesamt etwas besser als vorher. Mit der Standardkodierung verstehe ich etwas besser als mit der parallelen Kodierung, die etwas dumpfer klingt. Der Sound ist hier zwar ein bißchen besser, aber das Sprachverständnis leidet minimal. Insgesamt erziele ich durchweg gute Ergebnisse – etwa 80% der gesprochenen Wörter und Sätze verstehe ich, 20% nur teilweise oder falsch – und auch „Quatschsätze“ kann ich spätestens nach dem zweiten oder dritten Anhören gut wiedergeben. Selbst mit Störgeräusch im Hintergrund und einer Reduzierung der Lautstärke auf 50 Dezibel verstehe ich noch relativ viel. Das ist ein hervorragendes Ergebnis und ich freue mich sehr.

Am Abend bin ich dann k.o. – hören lernen ist anstrengend. Ich lege mich ein paar Stunden aufs Ohr (mittlerweile lege ich mich auch gern wieder auf das implantierte Ohr) und fahre dann am späten Abend zu McDonalds, weil ich einfach mal „raus“ muss. Ich fahre generell gerne nachts Auto – vor allem durch Städte. Dabei teste ich heute das Musikhören mit dem neuen Hörprogramm mit weniger Kompression. Und es hört sich absolut fantastisch an – ich hätte nie gedacht, dass man das bisherige Musikhörempfinden mit Implantat noch weiter verbessern kann. Die Töne komme noch klarer an und ich höre noch mehr Details – der Sound ist einfach fantastisch.

Diese Euphoriewelle verleitet mich dazu, bei McDonalds direkt in den Autoschalter zu fahren. Das war für mich bislang immer ein Worst Case, weil ich die Rückfragen des Burgerlings am Lautsprecher nie verstanden habe. Die Dialoge liefen in etwa so:

Lautsprecher: Guten Tag brfxxxxschschschschtttt aga pffffrrrrrz morumpf. 
Ich: Hallo, einen BigMac und einen kleinen Erdbeer-Milchshake bitte.
Lautsprecher: Schschschscht krapps ola Menu schtengl pflorz tagen?
Ich: Einen BigMac und einen kleinen Erdbeer-Milchshake, das ist alles.
Lautsprecher: Achchchchzzzzt pzzzzzffft en krchchchz Menu schlaggapoff tagana?
Ich: ICH MÖCHTE BITTE EINEN BIGMAC UND EINEN KLEINEN ERDBEER-MILCHSHAKE.
Lautsprecher: Kramm schtschtschtscht uffzig.
Ich: Geht klar.

Anschließend fahre ich zur Ausgabe, bezahle und freue mich im Auto über einen leckeren Vanille-Milchshake mit Pommes. Vielleicht ist es beruhigend, dass auch heute nicht alles klappt und ich kein Wort verstehe. Immerhin bekomme ich einen BigMac und auch wenn Erdbeer-Milchshake besser schmeckt, ist der Vanille-Milchshake wirklich ok. Und McDrive ohne Verständnisprobleme ist ab jetzt mein Top-Hörziel – wenn das klappt, habe ich den Gipfel des Hörolymps errungen. Vielleicht fahre ich heute Abend wieder hin, fahre vier mal durch und bestelle jeweils einen Cheeseburger, einmal Pommes, einmal Mayo und einmal Cola. Bis es klappt oder sich die McFachkraft vor Verzweiflung im Frittierfett ertränkt.

Tag 33 – Erstanpassung

Heute geht es im Deutschen Hörzentrum Hannover zur Erstanpassung meines Soundprozessors. Das Hörzentrum liegt direkt neben der Medizinischen Hochschule Hannover, in der ich implantiert worden bin und arbeitet eng mit der dortigen HNO-Abteilung zusammen.

Der Begriff Erstanpassung ist etwas verwirrend, weil mein Soundprozessor bereits drei Tage nach der Operation angepasst und eingeschaltet wurde. Dieses Aktivieren direkt nach der Implantation ist relativ neu; bis vor kurzem wurde der Soundprozessor erst 2-4 Wochen nach der Operation eingeschaltet. Da die Operationstechnik mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass die OP-Nachwirkungen eher gering sind, wird bei guter Konstitution des Patienten eine sogenannte Frühanpassung wenige Tage nach der Operation vorgenommen. Der Soundprozessor wird dabei nur grob angepasst und läuft quasi auf Werkseinstellungen. Lediglich die Lautstärke wird eingestellt, damit das Hören nicht unangenehm ist. Die Erstanpassung erfolgt dann ein paar Wochen später – hierbei wird das Gerät individuell angepasst. Im Deutschen Hörzentrum dauert diese Anpassung insgesamt eine Woche – inklusive Hörtrainings und Beratungsgesprächen zu Zubehör. Auch ein Museumsbesuch steht auf dem Programm, wobei der Ton per Induktionsschleife direkt in den Soundprozessor gespeist wird. So sieht mein Wochenplan aus:

Das heutige Programm beginnt erst um 14 Uhr. Ich treffe vorher noch eine gute Freundin mitsamt meiner ErstBestenHälfte in Celle zum Frühstück und freue ich mal wieder, wie viel einfacher Unterhaltungen mit dem Cochlea-Implantat im Vergleich zum Hörgerät sind. Dann geht es nach Hannover zum Hörzentrum.

Meinen Ingenieur, der die Einstellungen des Soundprozessors vornimmt, kenne ich noch vom Beratungsgespräch Ende Juli, bei dem ich das für mich passende Implantat ausgewählt habe. Er ist überrascht, wie gut ich mit dem Hörimplantat schon hören kann und freut sich sehr – wie eigentlich alle Menschen, mit denen ich in den letzten Wochen zu tun hatte. Ich bekomme eine ausführliche Erläuterung des Ablaufs dieser Woche und dann wird der Soundprozessor neu vermessen. Ich muss dabei angeben, welche Lautstärke bei jeder der 12 Elektroden angenehm ist. Dazu werden Test-Töne auf die Elektroden gespielt und von mir auf einer Lautstärkeskala eingestuft. Das Implantat funktioniert so, dass bei höherer Lautstärke mehr Strom fließt – bei einem lauten tiefen Ton wird also die entsprechende Tieftonelektrode mit einem starken Stromimpuls versorgt; bei einem leisen Ton fließt nur wenig Strom. Das Hörimplantat funktioniert also quasi wie eine Lobotomie, ist aber deutlich angenehmer. Unangenehm sind aber nur sehr laute Töne und der Soundprozessor ist gedeckelt. Das heißt: Eine bestimmte Lautstärke kann nicht überschritten werden. Tolle Sache: Ich kann nicht mehr wegen zu lauter Musik schwerhörig werden.

Das Hören selbst fühlt sich nicht elektrisch sondern ganz normal an – so normal, wie ich es mir halt vorstellen kann, was nach 40 Jahren mit Hörgeräten nicht einfach ist. Ich höre weder roboterhaft noch habe ich das Gefühl, unter Strom zu stehen. Es hört sich einfach ganz normal an.

Dann werden verschiedene Programme auf den Soundprozessor gespielt, die ich per Fernbedienung auswählen kann:

  1. Das Standard-Hörprogramm
  2. Eine Audiozoom, der Geräusche von der Seite und von hinten stark herunterfährt und alle Hörkraft nach vorne richtet. Zwar ist der Soundprozessor standardseitig so eingestellt, dass die meiste Hörkraft nach vorne gerichtet ist (etwa 70%), aber dieses Programm verstärkt diese Hörrichtung noch und dämpft alles andere herunter. Das ist dann hilfreich, wenn ich mich in lauten Umgebungen unterhalten will. Vor allem in Restaurants oder Cafés, in denen viel Gesabbel von hinten und von den Seiten kommt, verstehe ich damit besser.
  3. Ein Programm für Rundum-Hören, auch omnidirektionales Hörprogramm genannt. Dieses Programm macht genau das Gegenteil wie das zweite: Es nimmt den Schall von allen Seiten gleichmäßig auf. Das kann ein Vorteil bei Musik sein oder auch dann, wenn ich mich irgendwo befinde, wo der oder die Sprecher/in auch mal rechts oder links von mir oder hinter mir steht.
  4. Ein Programm mit der bisherigen Höreinstellung, die ich bislang genutzt habe – um vergleichen zu können, inwieweit sich Verbesserungen einstellen.

Das neue Standardprogramm klingt auf Anhieb besser. Zisch- und Klackergeräusche sind etwa reduziert und alles hört sich etwas ausgewogener an. Das omnidirektionale Programm teste ich später im Auto mit Musik – es klingt etwas voluminöser, scheppert dafür in den hohen Frequenzen aber wieder etwas mehr.

Ich erfahre heute auch, warum die Teleschlinge, mit der ich das Smartphone oder Laptop kabellos mit dem Soundprozessor verbinden kann, deutlich schlechter klingt als die direkte Kabelverbindung. Die Teleschlinge nutzt die T-Spulen-Technik zur Übertragung, die zwar ein Standard aber sehr alt ist und deutlich weniger Signale übertragen kann als neuere Technologien wie z.B. Bluetooth. Bleibt zu hoffen, dass Med-El schnell eine drahtlose Lösung anbietet, die besser funktioniert und auf dem aktuellen Stand der Technik ist.

Die Hybridfunktion meines Soundprozessors, der gleichzeitig auch als Hörgerät fungieren kann und dabei tiefe Töne in das Ohr spielt, während die höheren Frequezen direkt auf die Hörnerven gespeist werden, kann ich wegen meines hohen Hörverlustes wahrscheinlich nicht nutzen. Das ist mir aber egal – der Sound ist auch ohne dieses Features ausgezeichnet und ich vermisse die Otoplastik im Ohr kein bißchen.

Interessant ist, dass man die Lautstärke der Umgebungsgeräusche bei einer Direktverbindung vom Smartphone oder Laptop zum Soundprozessor per Audiokabel nicht per Fernbedienung oder Programmierung steuern kann. Mir sind die Umgebungsgeräusche zu laut; das ist beim Telefonieren und auch beim Schlagzeugspielen suboptimal. Ich erfahre aber, dass es zwei unterschiedliche Audiokabel gibt: Das von mir genutzte gelbe Kabel, bei dem das Verhältnis direkter Input über Kabel – Umgebungsgeräusche bei 50/50 liegt, und ein rotes, das den Input im Verhältnis 90/10 verteilt. Dieses wird dann auch gleich bestellt; die Krankenkasse übernimmt hierfür die Kosten.

Nach der technischen Anpassung geht es zur ärztlichen Untersuchung im Hörzentrum. Diese wird gemacht, um zu schauen, ob die Operationsnarbe gut verheilt ist, der Gleichgewichtssinn funktioniert und ob es sonstige etwaige Beschwerden gibt. Ich habe Gottseidank überhaupt keine Probleme und fühle mich fit wie ein Turnschuh. Ich spreche auch gleich die gewünschte Implantation auf dem linken Ohr an, werde aber etwas gebremst, weil diese im Durchschnitt erst nach 6 Monaten gemacht wird, wenn sich der Patient an das elektronische Ohr gewöhnt hat. Das ging bei mir allerdings deutlich schneller. Wir verabreden, dass wir das Thema am Ende dieser Erstanpassungswoche noch einmal ansprechen und dann überlegen, wie schnell eine zweite Implantation machbar ist.

Am Abend fahre ich in die Hannoveraner City, kaufe ein bißchen Klamotten ein – auch dies ohne Verständnisprobleme an der Kasse – und gehe dann bei Vapiano essen. Das ist eine italienische Restaurantkette, die gerade enorm in ist. Die Gerichte werden hier ähnlich wie bei Subway direkt vor der Nase des Kunden zubereitet und man kann auswählen, welche Zutaten man haben möchte. Ich habe dieses Restaurant bislang gemieden, weil ich die Fragen des Kochs oder der Köchin, was ich denn ins das Gericht reinhaben möchte, schlecht verstanden habe. Auswahlrestaurants sind für hörgeschädigte Menschen ein echtes No-Go. Mit Hörimplantat klappt das aber prima. Leider sind die Linguine Carbonara Salmone komplett versalzen und die Nudeln matschig. Da suche ich mir dann in Zukunft doch lieber einen kleinen Italiener, der vernünftig kochen kann.

Tag 32 – Flohmarkt

Heute geht es früh aus den Federn, weil ich mit der ErstBestenHälfte zum Flohmarkt nach Stade fahren möchte – der schönste Flohmarkt Norddeutschlands, der sich durch die Stader Altstadt zieht. Wir beide mögen Flohmärkte sehr gerne. Als Junior I und II noch kleiner waren, haben wir viele Kinderklamotten auf dem Flohmarkt gekauft. Und Spielzeug – Spielzeugautos, viele Kinderbücher, Playmobil und Lego. Damals bekam man Legoteile auch noch günstiger als im Geschäft. Heutzutage findet man nur noch Sammlerstücke, weil sich die Verkäufer an den Mondpreisen auf ebay orientieren und muss den Kindern erklären, dass 200 Euro für ein gebrauchtes, abgelutschtes Lego-Set (das man im Laden aber nicht mehr bekommt und das in 10 Jahren drölfmal so viel wert sein wird!) einfach zu viel sind. Flohmarktbesuche sind immer ein bißchen wie Zeitreisen in die Vergangenheit – ich sehe zum Beispiel oft Matchbox-Autos, die ich als Kind hatte. Oder Schallplatten, Gesellschaftsspiele und alte Bücher, an die ich mich noch erinnern kann. Wir kaufen eigentlich nie viel, aber haben immer Spaß.

Vorher trete ich allerdings erst einmal ohne Schuhwerk auf eine am Boden sitzende Hornisse, die sich mit einem beherzten Stich in meine Fußsohle bedankt. Das tut wirklich weh. Gottseidank verkrafte ich Insektenstiche relativ gut und nach 15 Minuten Eiskompresse fahren wir dann los. Schade, dass ich das Ding nicht gehört habe. Vielleicht rufen Hornissen in so einer Situation ja „Oh shit“ auf Hornissisch – kurz bevor mein Fuß sie trifft und ich meinerseits „Oh shit“ rufe. Oder machen irgendeinen erschrockenen Laut in einer für Menschen unhörbaren Frequenz – ähnlich wie Fledermäuse. Rein technisch müsste es doch eigentlich möglich sein, solche Geräusche wahrzunehmen und in einen für mich hörbaren Ton umzuwandeln. Für die Hornisse wäre das ebenso praktisch wie für mich – denn sie hat ebensowenig Lust darauf, zertreten zu werden wie ich darauf, mit geschwollenem Fuß über den Flohmarkt zu humpeln.

Diese Idee, wenn auch noch etwas schräger, hatte vor Jahren der englische Schriftsteller Roald Dahl, der durch seine makabren Kurzgeschichten bekannt geworden ist und den ich sehr gerne lese. In seiner Kurzgeschichte „Der Lautforscher“ geht es um einen Erfinder, der eine Maschine baut, mit der er genau solche für Menschen unhörbaren Frequenzen in hörbare Töne umwandeln kann und damit Pflanzen schreien hört – Rosen, die geschnitten werden, ein Baum in den eine Axt gehauen wird, ein Kornfeld, das von einem Mähdrescher gemäht wird… ich möchte an dieser Stelle nicht vorweg nehmen, was am Ende passiert. Am besten selber Lesen; die Geschichte findet sich in Roald Dahls Buch „… und noch ein Küsschen„.

Ich bin letzte Woche dem von Enno Park gegründeten Verein Cyborgs e.V. beigetreten, der sich unter anderem mit Fragen dieser Art beschäftigt. Wem gehört ein Implantat? Wer darf es verändern? Wie weit darf die Technik gehen? Warum soll man keine Fledermäuse oder Hornissen hören können? Das sind spannende, wenngleich teilweise auch schräge Debatten mit philosophischem Hintergrund. Implantationstechnik schreitet immer weiter voran und unsere Gesellschaft wird zwangsläufig mit solchen Fragen konfrontiert werden. Ich freue mich sehr auf spannende Diskussionen zu diesem Thema.

Der Flohmarkt war trotz des guten Wetters zwar nicht so gut besucht wie erwartet, aber es hat trotzdem Spaß gemacht. Zum wiederholten Mal bin ich dort auf mein Cochlea-Implantat angesprochen worden und gab gerne und bereitwillig Auskunft. Es mag nicht jedermanns Sache sein, wegen eines Hörimplantats von wildfremden Menschen angesprochen zu werden. Ich hatte bislang allerdings immer sehr nette Gesprächspartner, die keinesfalls aufdringlich waren und einfach wissen wollten, ob dies auch etwas für eine hörgeschädigte Person aus ihrem Bekanntenkreis sein könnte oder wie gut ich damit höre, weil sie auch jemanden kennen, der ein CI hat. Ein Cochlea-Implantat fällt auf – zumindest wenn man Glatze hat und die äußeren Teile weiß sind. Ich möchte auch, dass es auffällt, weil sich meine Umwelt dann besser und schneller auf mein schlechtes Hören einstellen kann.

Was mich persönlich letztendlich dazu gebracht hat, den Schritt vom Hörgerät zum Implantat zu machen, war eine Flohmarktbegegnung im Frühjahr dieses Jahres. Ich sah dort einen Familienvater – ebenfalls mit weißem Soundprozessor und Spule am Kopf – und sprach ihn auf sein Implantat an. Das Gespräch war sehr nett und aufschlussreich und vermutlich war es das, was mir den letzten Schub gegeben hat, diesen Schritt zu wagen. Lieber CI-tragender Familienvater aus Zeven: Wenn Du das hier liest: Danke vielmals für das motivierende Gespräch! Ich hoffe, wir sehen uns irgendwann mal wieder. Dann verstehe ich auch Deinen Namen und gebe einen aus.