Tag 303/241 – Open Air

Alle zwei Jahre findet in Schneverdingen, einem Nachbarort, ein kleines Open-Air Musikfestival statt, bei dem etwa 3.000 Besucher einen Abend lang live-Musik genießen können. Natürlich treten hier keine hochkarätigen Superstars auf, sondern eher kleinere, regionale und unbekanntere Bands, die vielleicht einmal zu Superstars werden. Dieses Jahr steht unter dem Motto ‚Cover-Bands‘: Neben einer recht bekannten Udo Lindenberg Coverband treten auch Hellfire, eine der bekanntesten AC/DC-Coverbands auf – und außerdem John Diva & The Rockets of Love auf, die ich noch gar nicht kenne und die sich vor allem dem Hardrock der 80er und 90er Jahre verschrieben haben, und Die toten Ärzte – eine Band, die – wie der Name schon verrät – Songs der Ärzte und der Toten Hosen covert.

In diesem Jahr bin ich zusammen mit meiner ErstBestenHälfte und zwei befreundeten Ehepaaren zum ersten Mal dort. Ich weiß noch nicht, wie sich meine Cochlea-Implantate auf Live-Konzerten schlagen. Die Musik ist dort erfahrungsgemäß sehr laut und die Mikrofone meiner Soundprozessoren arbeiten nur bis zu einer Lautstärke von etwa 100 Dezibel optimal. Alles, was lauter ist, wird etwas verzerrt wiedergegeben und klingt nicht optimal. Ich hatte deshalb bei einem Diskothekenbesuch im Winter ein wenig Probleme und möchte dieses Open-Air vor allem als Testlauf für größere Konzerte nutzen.

Als wir das Festivalgelände erreichen – ein kleines Tal mit sanft aufstrebenden Grashängen, auf denen sich das Publikum verteilt hat, spielt bereits die erste Band. Ich finde Udo Lindenberg durchaus cool, aber höre nicht konzentriert zu, sondern sondiere das Gelände, treffe Freunde, trinke ein Bier und nehme dann rechtzeitig vor dem Spielbeginn von Hellfire einen Platz mit guter Sicht auf die Bühne am Grashang ein. Dann geht es los- Hellfire betritt die Bühne und AC/DC-Beats wummern aus den überdimensionalen Boxen.

Am Anfang sind meine Soundprozessoren etwas überfordert mit der doch recht hohen Lautstärke. Ich spiele auf meiner Fernbedienung mit den verschiedenen Hörprogrammen herum, reguliere die Lautstärke und die Mikrofonempfindlichkeit und nach wenigen Minuten habe ich eine Einstellung gefunden, die kaum noch Verzerrungen erzeugt und die Musik trotz der enormen Lautstärke gut klingen lässt. Dann nähere ich mich der Bühne. Ab einer bestimmten Entfernung ist die Klangqualität nicht mehr so überzeugend, also kehre ich zu meinem Platz am Hang zurück und genieße den hervorragenden Sound einer wirklich außerordentlich guten Coverband. Wenn man sie nicht sehen würde, könnte man wirklich denken, AC/DC spiele dort wirklich (ich habe sie vor 2 Jahren live im Berliner Olympiastadion gesehen – damals noch mit Hörgeräten und einem sehr eingeschränkten Hörgenuss, der dieses geniale Konzerterlebnis aber dennoch nicht schmälern konnte).

Es macht wirklich enormen Spaß. Die Musiker von Hellfire geben alles, das Publikum kocht und ich bin unsagbar dankbar darüber, dass mir ein solcher Musikgenuss auch auf einem Live-Festival wieder möglich ist.

Dann kommen John Diva & The Rockets of Love auf die Bühne. Ich kannte diese Band noch gar nicht, aber fast alle Songs, die sie im Repertoire haben, gehören zu den Favoriten meiner Jugendzeit. Guns&Roses, Whitesnake, Alice Cooper, Kiss, Journey, Mötley Crüe, The White Stripes, Def Leppard und viele mehr. Und die Jungs legen wirklich los wie Raketen – es ist ein unglaublicher Auftritt voller Energie, voller Perfektion – ich bin wirklich sprachlos. Jeder Song hört sich wirklich fast genauso an wie das Original und vor allem der Drummer liefert eine Performance ab, wie ich sie bislang selten live erlebt habe. Und alles klingt einfach nur hervorragend. Keine Verzerrungen, ich erkenne jeden Song sofort, kann einzelne Instrumente heraushören und kann mich überhaupt nicht daran erinnern, ein Live-Konzert jemals so genossen zu haben. Auch das Publikum tobt – am Anfang war die Fläche vor der Bühne recht leer, weil die Band recht unbekannt ist. Aber spätestens beim dritten Song strömt alles nach vorne, rockt mit und die Stimmung ist unglaublich gut. Ich könnte hier ewig sitzen bleiben und den Jungs zuhören und muss mich enorm beherrschen, nicht nach vorne zu drängen – lieber bleibe ich etwas im Hintergrund und genieße den Sound, die Musik, den Abend und meine elektrischen Ohren. Was für ein Auftritt…

Auch die anschließend spielenden Toten Ärzte liefern eine tolle Show ab und covern sowohl die Ärzte als auch die Toten Hosen wirklich hervorragend, aber den Auftritt von John Diva können sie – jedenfalls aus meiner Sicht – nicht toppen. Dennoch genieße ich auch dieses Konzert sehr – und dann, spät in der Nacht, ist die Show zu Ende und wir fahren wieder nach Hause.

Ich bin unendlich glücklich, dass das elektrische Hören auch hier so gut funktioniert hat. Jetzt können die nächsten Live-Konzerte kommen!


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