Tag 44 – Nummer 2

Heute liegt ein Brief der Medizinischen Hochschule Hannover im Briefkasten, in dem mir der Termin für die Implantation des linkes Ohres mitgeteilt wird: Ich soll am 1. Oktober im Krankenhaus vorstellig werden. Die Operation ist dann vermutlich am 2. Oktober und bis zum Ende der Woche bin ich wieder zu Hause. Eigentlich wartet man nach einer einseitigen Implantation mindestens 6 Monate auf Nummer 2. Aber weil meine Hörerfolge schon nach kurzer Zeit so gut sind und die Wunde toll verheilt ist gibt es keinen Grund, zu warten. Das linke Ohr liegt seit der ersten CI-Operation ja brach, weil ich mit dem Hörgerät nicht mehr klarkomme. Das CI auf der rechten Seite hat eine dermaßen bessere Hörqualität, dass das Hörgerät links einfach nur noch stört. Und je länger ich warte, desto schwieriger wird es für das linke Ohr, „reaktiviert“ zu werden. Außerdem sind die Voruntersuchungsergebnisse, die auf beiden Ohren gemacht wurden, noch frisch und ich kann quasi direkt in den OP geschoben werden. Natürlich wird es auch links ein Implantat von Med-El werden und auch der linke Soundprozessor wird sehr wahrscheinlich weiß.

Wie auch schon beim rechten Ohr muss ich meine Erwartungen erst einmal herunterschrauben. Das ist schwierig, weil das rechte Implantat hervorragend funktioniert und ich natürlich damit rechne, dass es links genauso läuft. Dafür gibt es aber keine Garantie; es kann auch alles ganz anders kommen. Bei der Operation sind viele Nebenwirkungen möglich – von Geschmacksverlust über Schwindel und Gleichgewichtsproblemen bis hin zur halbseitigen Gesichtslähmung. Diese Fälle kommen allerdings nur sehr, sehr selten vor. Der Hörerfolg hängt davon ab, wie gut die Elektrode im Innenohr platziert ist, wie tief sie hereingeschoben werden kann und wie nah sie sich am Hörnerv befindet. Ich denke schon, dass auch mein linkes Ohr sehr schnell gut hören wird, wenn die Operation so gut gelingt wie bei rechten Ohr. Vielleicht wird es auch nicht so gut wie rechts oder vielleicht noch besser – es ist immer Risiko dabei und es wird schwer, die Erwartungen niedrig zu halten und nicht enttäuscht zu sein, wenn Nummer 2 nicht so gut funktioniert wie Nummer 1.

Auch das linke Ohr muss sich erst einmal an das neue Hören gewöhnen. Wahrscheinlich wird dies eher schneller klappen als beim rechten Ohr, weil sich mein Gehirn bereits gut auf das elektronische Hören mit Implantat eingestellt hat und die Hörnerven über Kreuz laufen. Aber auch das linke Ohr braucht Eingewöhnung und eine einwöchige Feinanpassung und muss trainiert werden. Das bedeutet, dass ich das rechte elektronische Ohr zumindest teilweise ausschalten muss, um das linke voll zu fordern – sonst wird es schwieriger werden, den Erfolg des rechten Ohres zu wiederholen. Auf das Hörgerät links zu verzichten fiel mir nach der ersten Implantation sehr leicht, weil ich mit dem Implantat viel besser hörte. Ein gut funktionierendes Ohr auszuschalten fällt einem schwerer. Aber das bekomme ich schon hin.

Natürlich habe ich auch vor der zweiten Operation etwas Angst. Die ganze Geschichte nach 8 Wochen noch einmal – Krankenhaus, Narkose, Wunde, Fäden ziehen, schlecht schlafen… und der Wow-Effekt der ersten Implantation wird fehlen. Das Hörerlebnis war ab der Frühanpassung so überraschend gut, dass ich die ganze Zeit einer Glücksblase gelebt habe und alle unangenehmen Nebeneffekte mehr oder weniger irrelevant waren. Diese Glücksblase wird bei der zweiten Impantierung kleiner sein. Aber dennoch: Die Vorstellung, auf beiden Ohren so gut zu hören wie auf dem rechten jetzt, ist die zweite Operation wert. Mehr als gar nichts werde ich auf jeden Fall hören. Es wird schon schiefgehen!

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