Tag 31 – Trauma

Wir hatten über die gestrige Nacht bis heute Mittag Besuch: die vier Kinder einer Nachbarin, die sich sehr darüber freute, mal alleine mit ihrer ZweitBestenHälfte (ZBH – das ist der jeweils männliche Part einer ErstBestenHälfte, kurz: EBH) feiern gehen zu können. Eines davon ist der beste Freund von Junior I. Das hochpubertäre Alter ist aus Babysittersicht – aber auch nur aus dieser!!! – pflegeleicht. Man braucht zur Beschäftigung nur eine Spielkonsole, ordentlich WLAN, eine Flasche Cola und Süßigkeiten. Auch wenn diese Methodik während meines Pädagogikstudiums (Nebenfach) nicht behandelt wurde und man sich als Student hüten sollte, so etwas auch nur vorzuschlagen, werden die meisten Eltern mit hochpubertären Jungs dieses Vorgehen durchaus verstehen. Die eigenen Nerven sind schließlich limitiert und solange das Kind viel Sport und Musik macht, kann man das am Wochenende schonmal machen – zumal die Spielezeit in der Woche nach hartem Kampf limitiert ist.

Die ErstBesteHälfte kümmert sich um das Schnullerkind und ich halte die beiden mittleren Grundschulkinder mit Klavier, Schlagzeug und dann auch etwas Tablet-Spielen auf Trab. Und das klappt gut. Ich mag Kinder gerne, aber habe sie immer schlecht verstanden. Die meisten Kinder artikulieren nicht sehr deutlich und werden unsicher, wenn man sie nicht versteht. Das hat früher oft zu schwierigen Situationen geführt. Unvergessen ist mein Versuch, die Kinder einer Freundin nach dem Spielen bei uns nach Hause in den Nachbarort zu bringen. Beide saßen gut gesichert auf der Rückbank. Ich hatte leider die Adresse nicht mehr im Kopf und bin dann etwa 5 mal am Haus vorbei- bzw. um das Haus herumgefahren, weil ich die immer verzweifelter werdenden Anweisungen von hinten nicht verstand. Gottseidank haben beide dieses Trauma gut verkraftet. Seitdem fahre ich kein Kind mehr ohne Navi plus eingegebenem Zielort nach Hause.

Mit dem Hörimplantat ist das einfacher. Ich verstehe Kinder zwar immer noch schlechter als Erwachsene, aber deutlich besser als mit Hörgerät. Zum Taxifahrer wird es vermutlich nicht reichen, aber man kann nicht alles haben.

Am Nachmittag steht wieder eine Tennis-Session auf dem Plan. Ich spiele auch heute mit dem Soundprozessor und es ist schön, dass ich die Korrekturanweisungen meines Spielpartners und Trainers jetzt besser verstehe und nicht jedesmal ans Netz rennen muss. Auch schön ist der Klönschnack nach und vor dem Spiel – Small Talk macht mir immer mehr Spaß. Mit Hörgeräten war es in den meisten Fällen einfach nur frustrierend.

Während des Spiels bekomme ich übrigens zwei Sprachnachrichten meiner ErstBestenHälfte, die ich nach mehrmaligem Anhören einwandfrei verstehen kann. Schwierigkeiten habe ich mit übertriebenen Betonungen. Wenn beispielsweise anstatt „Tina“ „Tinaaaaaa“ gesagt wird, komme ich ins Schleudern.

Am Abend machen wir einen kurzen Abstecher zum örtlichen Erntefest. Ich treffe einige Dorfbewohner, die mich seit der Implantation noch nicht gesehen haben und alle freuen sich sehr über den Erfolg dieser Operation. Ich kann mich gut unterhalten und höre endlich, warum Dorfbewohnerin I mit Dorfbewohnerin II nicht mehr grün ist, weil Dorfbewohnerin III der Cousine von Dorfbewohnerin I gesagt hat, dass die Schwiegermutter von Dorfbewohnerin II im Supermarkt über Dorfbewohnerin IV gelästert hat. Und warum Kind I Kind II vors Schienenbein getreten hat, nachdem Kind III… den Rest habe ich vergessen. Es war trotzdem ein schöner Abend.

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