Tag 28 – Schreck lass nach

Heute früh höre ich beim Morgenkaffee auf der Terrasse Krähen. Das ist schön! Seit der Implantation höre ich Tiere deutlich besser. Das macht das Leben etwas schreckfreier. Denn Hunde habe ich zum Beispiel oft erst dann wahrgenommen, wenn sie direkt hinter mir waren – man erschreckt sich selbst als Hundeliebhaber sehr, wenn man die Tiere nicht kommen hört, und angesprungen wird. Es ist auch praktisch, wenn man Hundeknurren sofort hört und nicht erst dann, wenn zugeschnappt wird. Normalerweise merke ich natürlich, wenn sich ein Hund unwohl fühlt, aber manchmal kann es passieren, dass die Stimmung rapide umkippt oder der Hund eine bestimmte Streichelbewegung nicht mag.

Vögel waren mir immer ein Graus, weil ich das Geflatter erst direkt am Ohr bemerkte. Wir hatten in meiner Jugendzeit einen Wellensittich, der ab und zu frei in der Wohnung fliegen durfte und das machte mich immer sehr nervös. Auch Wespen höre ich jetzt wenn sie hinter meinem elektronischen Ohr summen – das ist natürlich ein großer Vorteil.

Mit einer Hörschädigung wird man generell viel häufiger erschreckt als mit gesunden Ohren. Auch Menschen, die sich von hinten nähern, nimmt man erst wahr, wenn sie ganz nahe sind. Oder Trecker – beim Joggen über die Feldwege  bin ich schon mehrmals in gefährliche Situationen gekommen, weil ich von hinten nahende Trecker nicht gehört habe. Die Fahrer gehen natürlich nicht davon aus, dass man das Fahrzeug nicht hört und rechnen nicht mit einem Schritt Richtung Straße. Ich empfehle deshalb jedem hörgeschädigten Jogger, der im ländlichen Bereich unterwegs ist, sich eine Warnweste mit einem durchgestrichenen Ohr auf dem Rücken zu besorgen. Auch hier ist die Unsichtbarkeit der Hörbehinderung ein großer Nachteil.

Nach Feierabend geht es ins Einkaufszentrum, weil der Nachwuchs mal wieder aus den Klamotten herausgewachsen ist. Ich bin nach wie vor begeistert davon, wie gut mein Soundprozessor schon in der Werkseinstellung Umgebungsgeräusche dämpft und wie gut die Stimmen der mich begleitenden Personen dennoch verständlich sind. Die Hörgeräte konnten das nicht halb so gut. Das Einkaufen ist damit deutlich entspannter. Einziger Nachteil: Ich erschrecke jetzt schon dann, wenn ich den Preis an der Kasse höre. Und nicht erst, wenn der zu zahlende Betrag am Kartenleser angezeigt wird.

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