Tag 136/74 – Weihnachtsmärchen

Bei uns im Dorf findet jedes Jahr am dritten Advent ein Weihnachtsevent statt. Es werden Weihnachtsbäume verkauft, es gibt Bratwurst und Glühwein und am Nachmittag wird von den Dorfkindern ein Weihnachtsmärchen im Dorfsaal aufgeführt. Dies ist immer ein sehr schönes Erlebnis – die Stücke sind immer lustig und regen trotzdem zum Nachdenken an und die Kinder üben wochenlang für diesen Auftritt und haben sehr viel Spaß dabei.

Ich habe mir natürlich jeden Auftritt in den letzten Jahren angeschaut – vor allem deshalb, weil Junior II jahrelang dabei war und meistens mit Hingabe den Weihnachtsmann gespielt hat. Das Drehbuch habe ich vorher durchgelesen, damit ich weiß, worum es geht. Verstanden habe ich bei den Aufführungen nie ein Wort, aber es trotzdem genossen. In diesem Jahr fand sich Junior II zu alt für die Teilnahme – und das erste Mal konnte ich zumindest die Hälfte des Gesagten verstehen. Die Kids sind ja keine ausgebildeten Schauspieler und sprechen teilweise etwas undeutlich; auch die Mikrofontechnik ist nicht professionell. Normal hörende Menschen bekommen alles mit, aber mit Hörgeräten habe ich dabei nie eine Chance gehabt.

Ich verstehe mit meinen Hörimplantaten wegen der schwierigen akustischen Situation zwar nicht alles, aber dennoch deutlich mehr als jemals zuvor und kann der Handlung folgen, ohne das Drehbuch vorher durchgelesen zu haben – auch wenn ich nicht jede Pointe auf der Bühne verstehe. Das ist insgesamt ein toller Erfolg.

Es ist ein bißchen bitter, dass ausgerechnet in diesem Jahr, in dem meine Ohren dank der Cochlea Implantate wieder hören können, die eigenen Kinder nicht mehr bei der Aufführung dabei sind. In solchen Momenten wird einem schmerzlich bewusst, wie viel man mit einem schlechten Gehör im Leben verpasst und man überlegt sich, ob man den Schritt zum Hörimplantat nicht früher hätte wagen sollen.

Auf der anderen Seite war ich früher einfach nicht bereit für diesen Schritt und ich weiß nicht, ob eine Operation unter diesen Voraussetzungen genauso gut gelaufen wäre. Man muss nach vorne schauen und sich auf all das freuen, was noch kommt. Und das ist eine Menge. Das mir dies möglich geworden ist, ist das schönste Weihnachtsmärchen von allen.

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