Monat: Mai 2019

Tag 294/232 – Defekt

Heute bemerke ich, dass mein linker Soundprozessor defekt ist. Beim Wechsel der Mikrofonabdeckung, die alle drei Monate empfohlen wird, weil Staub und Schmutz dieser Abdeckung auf Dauer zusetzen, scheint ein kleiner Plastik-Nippel abgebrochen zu sein. Die Folge ist, dass die Abdeckung nicht mehr akkurat auf dem Soundprozessor sitzt und Feuchtigkeit und Schmutz in das Gerät eindringen können.

Also rufe ich bei der Med-El-Hotline an und schildere das Problem. Es wird versprochen, am nächsten Tag einen Kurier zu schicken, der ein Ersatzgerät vorbeibringt und das defekte Gerät dafür mitnimmt.

Genaus dies ist am folgenden Morgen auch der Fall. Ich bin allerdings etwas verwirrt, als am späten Vormittag ein Kurier erscheint, der zwar das defekte Gerät abholen will, aber keinen Ersatz dabei hat. Offenbar wurde ein weiterer Kurier beauftragt, das Ersatzgerät zu liefern.

Da ich nicht sicher bin, wann das Ersatzgerät eintrifft und auf mein zweites elektrisches Ohr nicht verzichten möchte, händige ich den defekten Soundprozessor nicht aus, sondern warte auf den zweiten Kurier, der dann tatsächlich am Nachmittag bei uns klingelt, ein neues Gerät mitbringt und das alte in Empfang nimmt.

Der Ersatzprozessor ist bereits auf mein Implantat im linken Ohr codiert und eingestellt; ich muss ihn lediglich die Fernbedienung koppeln und kann dann direkt loshören. Einfacher geht es wirklich nicht!

Tag 285/223 – Bass

Heute habe ich mir einen langgehegten Traum erfüllt und mir einen elektrischen Bass gekauft. Ich habe schon mehrfach versucht, Gitarre zu lernen – aber bislang waren meine mit Hörgeräten versorgten Ohren einfach zu schlecht, um die Töne zu erkennen und dieses Instrument spielen zu können. Und außerdem scheinen meine Finger ein wenig zu grobmotorisch für dieses Instrument zu sein. Bass ist da einfacher – er hat weniger Saiten, man spielt weniger Akkorde und muss die Finger weniger verrenken und ich mag dieses Instrument und seine tiefen Töne, die wummernde Beats erzeugen können, einfach sehr gerne.

Über eBay Kleinanzeigen habe ich heute ein passendes Instrument gefunden, das der Besitzer, der zufällig in der Nähe meines Heimatortes war, direkt vorbeigebracht hat. Wie so oft, wenn man gebrauchte Musikinstrumente kauft, lernt man nette Menschen kennen und auch dieser Kauf war eine durchweg erfreuliche Angelegenheit mit einem sehr netten, musikbegeisterten Verkäufer, bei dem ich viele wertvolle Tipps mit auf den Weg bekam.

Das Hören tiefer Töne ist mit Hörimplantaten eine recht schwierige Übung. Da ich vor allem im Hochtonbereich schwerhörig bin und auch Sprache in diesem Bereich liegt, sind die Soundprozessoren meiner Hörimplantate natürlich besonders auf diese Frequenzen fokussiert. Allerdings höre ich tiefe Töne deutlich besser, als ich vorher gedacht habe. Ich kann sogar hören, wenn die Saiten meines Basses verstimmt sind. Schwieriger ist es, wenn ich Musik höre und dazu spiele – ich nehme zwar wahr, wenn ich komplett falsch liege, aber wenn der Ton zum jeweiligen Akkord passt weiß ich nicht immer genau, in welcher Höhe ich ihn spielen muss.

Ein großer Vorteil ist, dass der Bass nicht so laut ist wie ein Schlagzeug und ich deshalb einfacher Musik begleiten kann. Das Schlagzeug nimmt nach wie vor die meisten Ressourcen meines Soundprozessors in Beschlag und ich brauche hier Kopfhörer und einen Kopfhörerverstärker, wodurch die Musik laut genug in meine elektrischen Ohren gespeist wird. Das klappt dann aber hervorragend.

Ich bin sehr gespannt und freue mich riesig auf diese neue Herausforderung. Junior I kam, wie so oft, auf Anhieb mit diesem neuen Instrument klar und konnte schon nach wenigen Minuten erste Songs mitspielen. Er spielt bereits elektrische Gitarre und kennt sich deshalb gut mit den Grundprinzipien dieses Instrumentes aus.

Hoffentlich bleibt mir genug Zeit, Bass zu lernen und dennoch das Schlagzeugspielen nicht zu vernachlässigen. Unterricht werde ich vorerst nicht nehmen, sondern versuchen, die Grundlagen mit Hilfe von YouTube-Tutorials und der tatkräftigen Unterstützung von Junior I zu lernen. Mit Junior II am Schlagzeug haben wir dann schon eine richtige Band und ich freue mich sehr darauf, mit den beiden Jungs Musik zu machen.

Tag 282/220 – Hochzeit

An diesem Wochenende heiratet meine Nichte im brandenburgischen Jessen. Wir freuen uns sehr auf ein Wochenende im Kreis meiner Familie. Einige Familienangehörige habe ich seit meiner ersten Implantation noch gar nicht wieder getroffen und die meisten nach meiner zweiten Operation auch nicht. Das wird ein wundervolles Wiedersehen.

Wir treffen schon am späten Freitagabend in Jessen ein. Die Hochzeit findet in einer Hochzeitsscheune statt – einem wunderschönen und speziell für Hochzeitsfeiern umgebauten Hof. Dort gibt es einen großen Festsaal, einen Tanzraum, Gästezimmer, eine Küche und einen sehr schönen Innenhof mit Grillplätzen. Alles ist wirklich wunderschön eingerichtet und geschmückt und die Freude ist groß, als meine Verwandten nach und nach eintreffen.

Natürlich habe ich sehr viel zu erzählen – die letzten Monate waren wohl die ereignisreichsten in meinem ganzen Leben. Alle freuen sich riesig über meinen Hörerfolg und ich werde nicht müde, immer wieder zu erzählen, wie das Implantat funktioniert, wie ich höre und welche Hörerlebnisse mich am nachhaltigsten beeindruckt haben. Viel beeindruckender als meine Erzählungen selbst ist aber die Leichtigkeit, mit der ich mich unterhalten kann, die Rückfragen und Wiederholungen weitgehend überflüssig macht, die nicht mehr meine volle Konzentration erfordert und die jedes Gespräch zu einem angenehmen, entspannten und wundervollen Erlebnis macht. Es wird ein langer und unvergesslicher Abend.

Die Hochzeit selber findet am Samstagmittag im Wald nahe der Hochzeitsscheune statt. Wir sind rechtzeitig vor Ort, trinken Kaffee, warten auf das Brautpaar und dann geht es zusammen zu Fuß in den Wald, wo auf einer Lichtung die Waldtrauung stattfindet.

Es ist meine erste Hochzeitsteilnahme mit Hörimplantaten. Bei meiner eigenen Hochzeit vor ziemlich genau 17 Jahren habe ich leider sehr wenig von der wunderschönen Rede verstanden, die der Standesbeamte gehalten hat. Zwar saß ich zusammen mit der Braut direkt vor ihm, aber die Aufregung war zu groß und ich war nicht in der Lage, mich voll und ganz auf das Gesagte zu konzentrieren. Es war dennoch eine wunderschöne Trauung und ich werde diesen Tag und Moment nicht vergessen. Gottseidank verstand ich, wann ich ‚ja, ich will‘ sagen musste. Ein ‚wie bitte?‘ oder ‚was?‘ hätte diesen magischen Moment wohl ruiniert…

Mit einer Hörschädigung, die so stark ist, dass das Sprachverständnis stark leidet, gewöhnt man sich daran, Momente auch dann zu genießen, wenn man nichts versteht – auch dann, wenn das Gesagte wichtig für den Moment ist. Im Kino, im Theater, bei Reden aller Art – man freut sich, dabei zu sein, man genießt die Reaktionen der Anwesenden, man stimmt in Gelächter ein, wenn ein Witz zum Besten gegeben wird, den man nicht versteht, man spielt sozusagen mit und kann es trotzdem genießen, weil man sich auf den Moment und auf die Umgebung konzentriert; auf die Reaktionen der Zuhörenden und die Atmosphäre des Moments.

Dieses Mal erlebe ich, wie viel schöner so ein Moment sein kann, wenn man versteht, was gesagt wird. Ich sitze relativ weit vorne und verstehe zwar nicht alles, aber dennoch den größten Teil der Hochzeitsrede. Und ich verstehe auch fast alles, was die Braut anschließend dem Bräutigam vorliest. Andersherum funktioniert es nicht so gut: Der Bräutigam steht mit dem Rücken zu mir und spricht sehr leise, so dass ich hier nicht mehr folgen kann. Wie ich später erfahre, haben aber auch viele der normalhörenden Anwesenden große Probleme, ihn zu verstehen.

Anschließend geht es zusammen zurück zur Hochzeitsscheune, wo das Hochzeitsessen stattfindet. Auch hier führe ich viele Gespräche. Dann wird, wie wohl bei den meisten Hochzeitsfeiern, gespielt. Ich platziere dafür mein Table-Mic nahe des Spieleleiters und kann so dem größten Teil der Spielanweisungen folgen. Das macht viel Spaß, auch wenn ich nicht alles mitbekomme, weil teilweise Rückmeldungen aus dem ‚Publikum‘ kommen, die ich aufgrund der großen Entfernung nicht gut verstehen kann. Dieses Problem haben aber auch andere Anwesende. Egal – es macht großen Spaß, sich hier beteiligen zu können. Für mich ein völlig neues Erlebnis.

Später am Abend wird dann das Tanzbein geschwungen. Auch das macht großen Spaß, denn ich kann die Musik gut hören, die Songs erkennen und beim Tanzen alles um mich herum vergessen.

Bis zum frühen Morgen bin ich auf den Beinen. Wir sitzen am Lagerfeuer und ich führe auch hier viele nette Unterhaltungen, bis wir dann zurück zum Hotel fahren und erschöpft aber glücklich ins Bett fallen.

Am nächsten Morgen steht ein gemeinsames Frühstück auf dem Plan – auch hier wird wieder viel erzählt und zugehört und gegen Mittag geht es dann wieder Richtung Heimat.

Ein wunderschönes Wochenende mit wunderbaren elektrischen Ohren.