Tag 38 – Low

Ich spüre erst heute, wie anstrengend die letzte Woche gewesen ist. Positiv anstrengend natürlich – aber ich bin immer noch geschafft und habe wenig Lust auf Hörtraining. Natürlich wollen alle um mich herum testen, wie gut ich jetzt nach der Erstanpassung höre. Das ist nachvollziehbar und ich möchte auch niemanden enttäuschen. Manchmal braucht man aber einfach einen Tag oder ein paar Stunden Ruhe und Pause, denn das Zuhören erfordert nach wie vor hohe Konzentration. Alltag ist auch eine ganz andere Herausforderung ist als die Laborbedingung im Deutschen Hörzentrum, in dem man sich wie in einem geschützten Raum bewegt. Im Alltag gibt es mehr Geräusche, mehr unvorhergesehene Situationen und vor allem mehr Menschen, mit denen man redet.

Am Morgen steht ein Flohmarktbesuch im Nachbarort auf dem Programm – wir wollen dort Pflanzen für den Garten kaufen. Das klappt super – es ist schön, bei der Beratung am Gräser-Stand fast alles zu verstehen. Beratungsgespräche waren für mich bislang immer sehr schwierig, weil es oft um fachliche Details geht, bei denen man schlecht kombinieren kann und alles genau verstehen muss. Auch das wird jetzt einfacher.

Anschließend geht es zum Fußballspiel mit Junior I. Die Fußballeltern kenne ich seit ca. 8 Jahren und ich habe mich bislang noch nie so gut am Spielfeldrand unterhalten können. Ich traue mich jetzt auch nachzufragen, wenn ich etwas in laufenden Gesprächen nicht verstehe. Früher habe ich das nur gemacht, wenn jemand direkt mit mir gesprochen hat. Nicht aber, wenn ich mich in ein laufendes Gespräch einschalten wollte – da hätte ich ständig dazwischenfunken müssen.

Den Rest des Tages höre ich wieder mal Musik. Lenny Kravitz, den ich sehr gerne mag, hat ein neues Album herausgebracht. Low ist der erste neuerschienene Song, den ich mit Implantat höre – und er gefällt mir hervorragend, wie auch der Rest seines neuen Albums. Neu erschienene Musik habe ich bislang ja gemieden. Das wird sich jetzt ändern.

Am Abend schaue ich mit Junior I erst die Tagesschau und dann den ersten Harry Potter Film im Fernsehen. Eigentlich schaue ich nur sehr wenig TV und Junior I ist für Harry Potter auch schon etwas zu alt, aber er läuft gerade und wir sind zu faul, und etwas anders rauszusuchen. Ich bin verwundert, wie sehr die Untertitel vom tatsächlich Gesagten abweichen. Zwar verstehe ich noch lange nicht alles – vor allem dann, wenn das Mundbild nicht sichtbar ist oder die Darsteller in Wirklichkeit Englisch reden. Manchmal verstehe ich aber schon ganze Sätze oder einzelne Wörter, die erstaunlich von der Untertitelung abweichen. Natürlich muss man Untertitel anpassen, damit man mit dem Lesen mitkommt. Aber dass auch die Wortreihenfolge in Sätzen anders ist oder dass Schimpfwörter radikal zensiert werden, ist mir vorher noch nicht aufgefallen. Ich hoffe, dass ich Untertitel irgendwann nicht mehr brauchen werde, oder zumindest nicht immer.

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