Tag 50 – Bitte wenden

Nach einem problemlosen Hotel-Checkout am Morgen, bei dem ich alles auf Anhieb verstehe und einem halbstündigen Gespräch mit meiner Vorgesetzten, das ebenfalls ohne jegliche Verständnisprobleme verläuft, höre ich mir auf der Arbeit einen englischsprachigen Vortrag an. Englisch ist nach wie vor schwierig: Ich verstehe einzelne Wörter und auch Sätze, aber kann noch keinen Vorträgen flüssig folgen – auch dann nicht, wenn ich direkt neben dem Vortragenden sitze. Da liegt noch viel Hörarbeit vor mir.

Zum Mittagessen treffe ich einen gehörlosen Kollegen, den ich mit Implantat schlechter verstehe also vorher. Vermutlich liegt es daran, dass mein Hören mittlerweile stark auf Konsonanten ausgerichtet ist. Mein Kollege spricht Konsonanten – ähnlich wie ich vor der Implantierung – schlecht bis gar nicht aus und das Verstehen fällt mir heute deutlich schwerer als sonst.

Etwas später geht es dann zurück Richtung Heimat – vor mir liegen wieder 6 bis 7 Stunden Fahrt. Die Rückfahrt nach Hause ist meistens anstrengender als die Hinfahrt am Montagmorgen, weil die Straßen deutlich voller sind und ich durch den Feierabendverkehr muss. In Staus stehe ich dennoch recht selten, weil ich Google Maps für die Navigation verwende, das via Android Auto direkt auf dem Fahrzeugmonitor meines Autos angezeigt wird. Die Verkehrsführung und Stau-Umgehung ist dabei um Längen besser als beim festeingebauten Navigationssystem meines Autos. Außerdem kann ich Spotify direkt über das Fahrzeuginformationssystem nutzen und damit prima beim Autofahren Musik hören.

Akustische Hinweise für die Navigation habe ich bislang nie verwendet; meine Navigationssysteme waren immer stumm geschaltet. Auch die Sprachsteuerung in meinem Auto habe ich bislang nie benutzt, weil ich die akustischen Rückmeldungen nicht verstanden habe. Mein Auto hat mich bislang auch schlecht verstanden, so dass man sich einen Dialog mit der Fahrzeug-Sprachsteuerung in etwa wie ein Gespräch zwischen zwei hochgradig schwerhörigen Personen vorstellen kann, von denen beide kein Wort verstehen.

Hey, kommst Du mit zum Fußball?
Nein, ich will zum Fußball. 
Oh coole Idee, finde ich besser als Fußball.
Na gut, ich denk nochmal drüber nach.
Du mich auch.

Bei den wenigen Versuchen, eine Navigation per Sprachsteuerung zu starten, war ich meist am Ziel, bevor das Fahrzeug und ich uns letztendlich verstanden hatten Die ganze Situation war mindestens so komisch wie ein absurder Monty Python-Sketch. Meine Kinder fanden das spätestens dann enorm lustig, wenn ich anfing, die Sprachsteuerung verzweifelt mit Schimpfwörtern zu traktieren. Das verstand sie zwar auch nicht, aber die Antworten führten meist zu großer Erheiterung auf der Rücksitzbank. Wenn gar nichts mehr geht, ist Lachen immer eine gute Lösung. Leider hat das Auto nie mitgelacht.

Mit dem Cochlea-Implantat verstehe ich die meisten Navigationsansagen hervorragend. Auch Warnungen vor Staus, Unfällen oder Geisterfahrern kommen bei mir an. Da ich deutlicher spreche, verstehe mich auch die Sprachsteuerung besser. Insbesondere mit dem Google Assistant verstehe ich mich ausgezeichnet und es ist, als wären wir schon ewig Freunde. Das Verstehen von WhatsApp-Textnachrichten, die mein Smartphone mir via Android Auto vorliest, funktioniert ausgezeichnet. Auch meine Antworten werden zuverlässig verstanden und an die entsprechenden Kontakte gesendet. Das Telefonieren beim Autofahren habe ich noch nicht ausprobiert, das wird dann der nächste Level. Und anstatt über die Kommunikation mit der Sprachsteuerung zu lachen, können meine Kinder und ich uns in Zukunft beim Autofahren Witze erzählen. Auch nicht schlecht!

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