Schlagwort: Urlaub

Tag 364/302 – Amsterdam

Heute vormittag vor genau einem Jahr bin ich auf der rechten Seite implantiert worden. Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist und wieviel seitdem passiert ist.

Das OP-Jubiläum feiere ich zusammen mit der ErstBestenHälfte in den Niederlanden. Wir haben uns ein paar Tage von Junior I und II verabschiedet, die mit der tatkräftigen Unterstützung unserer tollen Nachbarn mittlerweile auch ganz gut alleine zurecht kommen, und nahe Amsterdam am Ijsselmeer einquartiert – in einem wunderschönen, romantischen Hotel in einem uralten Haus in der Altstadt von Edam, dem weltberühmten Käsedorf.

Es macht mir nach wie vor sehr viel Spaß, an allen möglichen Orten Menschen anzusprechen: Im Hotel, im Restaurant oder auch im Laden – und einfach ein bißchen zu quatschen. Wir lernen nette Menschen aus den Niederlanden, aus Dresden, Südtirol und Granada kennen und auch die Kommunikation auf Englisch klappt hervorragend.

Am heutigen Tag sind wir in Amsterdam unterwegs – eine wundervolle Stadt, in der ich tagelang herumlaufen könnte. Wir shoppen ein bißchen, essen gut, trinken viel Kaffee, genießen die Schönheit der Grachten und bummeln endlos durch die kleinen Gassen. Und dann entscheide ich mich eher spontan dazu, mir einen langgehegten Traum zu erfüllen: Ich lasse mir zur Feier des Tages ein Augenbrauenpiercing stechen. Das ist vielleicht die bekloppteste aller Ideen, den Jahrestag einer Hörimplantation zu feiern, aber ich war immer schon etwas verrückt und habe auch mit knapp über 50 nicht vor, das zu ändern.

Spätestens nächstes Jahr kommt dann ein Tattoo. Am liebsten hätte ich ein Kopf-Tattoo, welches die Spule meines Audioprozessors kreativ mit einbindet… falls jemand Ideen hat, immer her damit ;-)

Tag 356/294 – Auslandsurlaub

Heute sind wir spontan für ein paar Tage ans Meer gefahren – nach Südschweden, zu unserem Lieblingscampingplatz, auf dem wir mit dem Zelt direkt am Strand campen können. Auch wenn ich immer gern neue Länder, Plätze und Erfahrungen suche, zieht es mich und meine Familie immer wieder an diesen traumhaften Platz. Der Strand ist wundervoll und nicht überfüllt, das Wasser sauber und es fällt nicht steil ab, alle paar Stunden kommen große Wellen, die von den Fährschiffen verursacht werden, die in naher Entfernung durch die Ostsee fahren und man lernt dort immer wieder nette Menschen kennen, die genau wie ich sehr naturverbunden sind und abends lieber am Lagerfeuer sitzen, anstatt in einer Hotelanlage auf dem reservierten Liegestuhl am Pool zu liegen und Cocktails zu schlürfen. Pauschalurlaub war noch nie mein Fall – ich bin eigentlich immer mit dem Zelt unterwegs oder übernachte in einer Ferienwohnung oder privat via AirBnb. Wir treffen dort auch regelmäßig Menschen wieder, die wir in früheren Urlauben kennen gelernt haben und teilweise haben sich auch private Kontakte ergeben, die bis heute fortbestehen.

Für Hörgeräte oder Audioprozessoren ist so ein Urlaub eine enorme Herausforderung. Vor allem der Sand, der sich nach ein paar Tagen auch im Zelt ausbreitet, ist für die Technik kritisch. Bei großer Hitze schwitzt man – vor allem wenn man ein 30 Kilo schweres Familienzelt auf- oder abbauen muss. Wenn es regnet, ist man nie ganz trocken und da wir ohne Strom zelten, ist das Verwenden einer elektrischen Trockenbox, welche die Feuchtigkeit aus dem Hörequipment zieht, problematisch – das geht eigentlich nur im Waschraum, wo man dann zwei Stunden neben dem Gerät sitzen und darauf warten muss, dass die Trocknung beendet ist.

Da ich in der letzten Zeit sowieso Probleme mit dem Eindringen von Feuchtigkeit in meine Audioprozessoren hatte, bin ich ein bißchen pessimistisch. Letztendlich hat aber alles besser geklappt, als erwartet.

Wichtig ist, dass man Behälter dabei hat, die dicht sind und in die kein Sand eindringen kann. Ich habe dafür die kleinen Täschchen verwendet, die man von Med-El mit dem Audioprozessor bekommt und die Prozessoren immer, aber auch wirklich immer dort verstaut, wenn ich sie abgenommen habe – und nicht etwa auf einen Kleiderhaufen legt oder sonst irgendwohin, wo sie aus Versehen im Sand landen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden können. Beim Zeltauf- und Abbau habe ich sie abgenommen, weil dies bei knapp 30 grad am Strand doch sehr schweißtreibend ist. Für das Trocknen habe ich eine Trockenbox mit Trockenkapseln dabei gehabt, die ich aber nicht verwenden musste. Einige Male habe ich die Audioprozessoren in der Sonne trocken lassen – allerdings nicht in der vollen Sonnenstrahlung, weil diese Hitze problematisch werden kann, sondern ein wenig im Schatten – und sicher abgelegt in einem Plastikteller oder eine Schüssel an einer Stelle, wo niemand aus Versehen gegen stoßen kann.

Wie jedes Mal an diesem Platz lernen wir auch diese Jahr wieder nette Menschen kennen – und zum ersten Mal, seitdem ich dort hinfahre, sind diese Gespräche nicht anstrengend für mich, sondern sie machen einfach Spaß. Wir treffen eine nette Familie aus Thüringen wieder, die schon vor vier Jahren neben uns gezeltet hat und es ist wunderschön, auch Abends im Dunkeln zusammenzusitzen und sich zu unterhalten, ohne dass ich dabei einen Halogenstrahler auf das Gesicht meiner Gesprächspartner richten muss, um von den Lippen ablesen zu können.

Auch das Einkaufen, im Restaurant, überall dort, wo ich Englisch brauche, ist alles so viel einfacher. Ich verstehe nicht alles, aber fast alles und fühle mich so viel sicherer in der Kommunikation als früher.

Die Urlaubstage sind leider wegen einer herannahenden Gewitterfront viel zu schnell vorbei. Aber es war dennoch eine wundervolle Erfahrung, auch im Ausland so gut hören und kommunizieren zu können und ich freue mich wahnsinnig auf den nächsten Auslandsaufenthalt.

Tag 175/113 – Marrakesch

Heute geht es nach Marrakesch – ich fliege zum ersten Mal nach Afrika, zum ersten Mal mit Hörimplantaten überhaupt und zum ersten Mal mit Hörimplantaten ins Ausland. Ich treffe dort einen guten Freund, der diese Reise zum Geburtstag von seiner Frau geschenkt bekommen hat und nicht weiß, dass ich dort auf ihn warte. Ich bin also quasi Teil des Geburtstagsgeschenkes.

Ich reise sehr gerne. Fremde Kulturen und Länder haben mich immer schon fasziniert. Pauschalurlaub im Hotel oder tagelang am Strand faulenzen war noch nie mein Ding. Ich möchte auf Reisen etwas erleben, unterwegs sein und Menschen, Orte und Kulturen kennen lernen. Ich mag auch Fremdsprachen sehr gerne. Englisch spreche ich fließend, wenn auch wegen meiner Hörbehinderung mit einer furchtbaren Aussprache. Französisch liebe ich, kann es aber nur rudimentär. Spanisch habe ich ein halbes Jahr in der Uni gelernt und dann aufgegeben. Auch Türkisch und Kurdisch habe ich ein wenig gelernt, weil ich vor Jahren in der sozialen Arbeit viel mit türkischen und kurdischen Familien zu tun hatte.

Mit einer Hörbehinderung ist das Lernen, Verstehen und Sprechen von Fremdsprachen enorm schwierig. Lippenablesen funktioniert so gut wie gar nicht und ein Sprachverständnis mit Hörgeräten von 0% hilft auch nicht gerade dabei, eine Sprache über das Hören zu erlernen. Über das Schriftliche kann man eine Sprache nur theoretisch lernen, nicht aber das Sprechen und noch weniger das Verstehen. Das war ein Problem, das für meine Entscheidung pro Hörimplantat mit ausschlaggebend war, denn im Beruf wird bei mir überwiegend Englisch gesprochen.

Das Einchecken am Flughafen ist auch mit Hörimplantaten problemlos. Ich habe meinen Implantatsausweis zur Hand, weil der Sicherheitsscanner wegen der Magnete in meinem Kopf piepen wird. Die Soundprozessoren lege ich vor dem Durchgang durch den Scanner ab und schalte sie aus – auf Empfehlung von Med-El hin, die ich vor der Reise extra noch einmal kontaktiert hatte, weil es sehr widersprüchliche Angaben dazu gibt, ob und wie man mit Hörimplantaten durch Körperscanner hindurchgehen darf. Jedenfalls verläuft alles vollkommen problemlos und beide Soundprozessoren funktionieren nach dem Durchlauf durch die Schleuse problemlos.

Im Flugzeug gibt es den ersten Reisehörerfolg: Ich verstehe ich zum ersten Mal die Sicherheitsanweisungen und Durchsagen im Flugzeug. Da ich beruflich schon hundertmal geflogen bin, erfahre ich nichts wirklich Neues, aber freue mich trotzdem sehr.

Am frühen Nachmittag lande ich in Marrakesch. Bei der Einreisekontrolle gibt es keine Verständigungsprobleme. Ich werde von einem Hotelshuttle abgeholt, in dem mich zwei nette Marokkaner zum Hotel fahren und mir viel über Marrakesch erzählen. Ich freue mich erneut, dass ich sie gut verstehe und mich relativ problemlos auf Englisch unterhalten kann. Das im Ausland neu – bislang war ich dort kommunikativ sehr eingeschränkt und habe Gespräche bis auf das allernotwendigste vermieden.

Im Hotel werde ich sehr freundlich begrüßt und verstehe auch hier jedes Wort. Ich hätte nicht gedacht, dass dies so flüssig funktioniert. Wiederholungen sind kaum notwendig und schön ist auch, dass mein Englisch gut verstanden wird.

Die Überraschung später am Nachmittag, als mein Freund im Hotel auftaucht, ist riesengroß. Wir verleben 4 wundervolle Tage in einem Land, das mich sehr beeindruckt – die Freundlichkeit der Menschen, die Lebendigkeit, das Gewusel auf den Straßen, die Architektur und Kunst, das Essen und auch die Musik. Es ist alles sehr fremd und sehr aufregend und nur selten anstrengend.

Ein Moment, der mir für immer in Erinnerung bleiben wird, ist der Muezzin-Gesang, den ich zum ersten Mal auf der Dachterrasse des Hotels höre und der sich wie ein Choral über die ganze Stadt legt. Ich habe mir Muezzingesänge immer ein wenig nervig vorgestellt, fordernd, nahezu aggressiv. Was ich dann auf dieser Dachterrasse gehört habe, war einfach nur wunderschön, sanft, harmonisch – es ist sehr schwer zu beschreiben. Ich hätte mir das stundenlang anhören können.

Auch sehr schön war ein langes Gespräch mit einem Amerikaner, der im Café neben uns sass und am Mac arbeitete. Es war unübersehbar ein IT’ler und natürlich musste ich ihn ansprechen. Wir unterhielten uns bestimmt eine halbe Stunde lang über Startups, Afrika, die USA und Donald Trump. Ich habe nicht jedes Wort verstanden, weil ich native englisch sprechende Personen noch nicht so gut verstehe. Aber ich konnte das Gespräch recht gut führen und habe das meiste verstanden.

Insgesamt war es ein wundervoller Aufenthalt, der mir insbesondere wegen der tollen Kommunikationserfolge noch mehr Lust darauf gemacht hat, in fremde Länder zu reisen und mich mit den Menschen dort zu unterhalten.