Schlagwort: Musik

Tag 4 – Mondscheinsonate

Heute morgen geht es zum HNO-Arzt. Meine ErstBesteHälfte (EBH) begleitet mich, aber ich kann das Gespräch mit der Sprechstundenhilfe am Empfang problemlos alleine führen. Wir werden durch ein Telefonat unterbrochen – eine andere Patientin braucht einen Termin. Obwohl das Mundbild der Sprechstundenhilfe nur schlecht zu sehen ist verstehe ich viele Details.

Mein HNO-Arzt ist über die Erfolge hocherfreut und schreib mich direkt zwei Wochen krank. Es könnte schlimmer sein. Die Wunde sieht gut aus und verheilt problemlos. Die Schwellung ist fast nicht mehr vorhanden.

Anschießend gönnen die EBH und ich uns ein schönes Frühstück im Cafe. Auch hier verstehe ich die Bedienung wirklich gut und habe keine Kommunikationsprobleme.

Am Nachmittag fahre ich Junior I zu einem Fußballspiel seiner Mannschaft. Ein Freund fährt auf dem Rücksitz mit und mit Hilfe seines Mundbildes im Rückspiegel kann ich seinen Urlaubserzählungen weitgehend folgen; auch das ist neu. Kinder und Jugendliche habe ich bislang immer sehr schlecht verstanden. Auch die Fußballeltern freuen sich sehr über meinen Erfolg und ich lausche vielen Gesprächen, die ich zwar noch nicht komplett, aber zumindest etwas und deutlich besser verstehe als mit Hörgeräten.

Am Abend sitze ich lange am Klavier und übe Töne zu unterscheiden. Ich spiele einige Lieder, die ich aus meiner Kindheit noch in Erinnerung habe und ein paar Popsongs – ich habe viel vergessen. Das wird aber wiederkommen. Und ein neues Ziel: Bis Ende des Jahres will ich mein Lieblingsstück, den ersten Satz von Beethovens Mondscheinsonate, wieder flüssig spielen können.

Tag 3 – Musik und Barbecue

Ich habe schlecht geschlafen, denn ich finde einfach keine komfortable Schlafposition. Alles in mir will sich auf die rechte Seite legen – das ist aber nicht wirklich ratsam. Also schlafe ich nur stundenweise, bin tagsüber aber dennoch fit – die Euphorie wirkt wie ein Aufputschmittel.

Essen ist laut. Vor allem mit zwei Kindern. Und anstrengend, wenn man alles über neueste Apps, Youtuber, Youtube-Fails, Bayern München und Verschwörungstheorien verstehen will. Ich will aktuell niemanden enttäuschen und die Kinder freuen sich riesig, mir endlich mehr erzählen zu können. Ich hoffe aber sehr, dass es mittelfristig noch andere Themen am Tisch geben wird. Meine ErstBesteHälfte, die sich das seit Jahren anhören muss, tut mir ein bisschen leid.

Ansonsten lasse ich es heute erst einmal ruhig angehen. Mittags lege ich mich wieder auf das linke Ohr, am Nachmittag grillen wir Burger mit den Nachbarn. Ich verstehe auch hierbei viel mehr als sonst – selbst bei Sprechern, die ein schwieriges Mundbild haben. Allerdings ist es schwierig, vier Tage nach einer OP einen fetten Burger zu essen, weil die Kauleiste noch nicht wieder soweit aufgeht, wie ich es gewohnt bin. Also werden es Burger light.

Nach dem Grillen lege ich mich ins Bett und höre Musik über die Bose-Bluetooth-Box. Das Erlebnis ist ähnlich beeindruckend wie im Auto – die hohen und mittleren Töne werden vom Implantat klar wiedergegeben und der Bass liegt auf meinem Bauch. Ich höre alle bekannten und auch erste unbekannte Songs und genieße es unendlich. Mit der Bose-Box experimentiere ich dann, wie gut das Richtungshören funktioniert – und das ist etwas frustrierend, weil ich nur dann wirklich „gut“ höre, wenn die Box sich in gerader Linie vor dem Soundprozessor befindet. Sobald ich sie zur Seite bewege, werden mittlere und höhere Töne leiser. Ich hoffe, dass man dies in den Feineinstellungen noch optimieren kann.

Was mich auch nervt: Meine eigene Stimme kommt mit ein wenig Verzögerung im Ohr an – wie ein Echo. Das ist verwirrend. Allerdings höre ich mich selber klar und deutlich und merke bei jedem Satz, wie undeutlich meine Aussprache war. Schon am gestrigen Abend meinte eine Nachbarin zu mir, dass ich wesentlich deutlicher spreche. Das ist ein toller Nebeneffekt, mit dem ich so schnell auch nicht gerechnet habe.

Und noch etwas, das am Anfang nicht gut funktioniert: Fernsehen. Hier verstehe ich sehr schlecht – vermutlich wegen der Entfernung zum TV. Dieses Problem wird sich mit entsprechendem Zubehör aber noch lösen lassen. Ich schaue generell sehr wenig fern – insofern ist das jetzt nichts, was meine Stimmung dämpfen kann.

Auch Klavierspielen ist noch schwierig –  ich höre zwar hohe Töne enorm deutlich, die mittleren und tiefen aber noch nicht wirklich gut. Dennoch ist es weitaus besser als mit Hörgeräten und das ist letztendlich das, was zählt.

Ich werde sicherlich noch einige Rückschläge erleben. Manches wird nicht funktionieren, aber anderes dafür umso besser. Darauf werde ich mich fokussieren – dann sind auch Enttäuschungen kein Grund, den Kopf hängen zu lassen.