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Tag 165/103 – Equipment

Anfang Dezember habe ich von meinem Hörgeräteakustiker eine Mikrofonanlage bekommen. Diese FM-Anlage besteht aus mehreren Tischmikrofonen, die das Gehörte per Funk direkt in meine Soundprozessoren übertragen. Ich benötige diese Ausstattung bei Meetings mit vielen Teilnehmern, die oftmals in großen Räumen stattfinden.

Auch wenn ich mit meinen Cochlea-Implantaten sehr gut verstehen kann stoße ich doch an meine Grenzen, wenn der Sprecher oder die Sprecherin weit entfernt sitzt. Denn selbst mit der besten Technik werde ich immer schwerhörig bleiben und in bestimmten Situationen eingeschränkt sein. Letztendlich kann kein Equipment, kein Implantat und kein Hörgerät so gut funktionieren wie ein gesundes menschliches Ohr. Ich nehme hier immer gern den Vergleich zum menschlichen Auge versus Kamera als Vergleich zur Hilfe: Nicht einmal die teuerste Kamera kann sich so schnell und gut auf unterschiedliche Lichtverhältnisse, Kontraste oder Entfernungen einstellen wie das menschliche Auge. Wer schon einmal versucht hat, bei schlechten Lichtverhältnissen mit hohem Kontrast Fotos zu machen versteht, was ich meine.

Die betreffende Anlage ist von Phonak – einem der bekanntesten Hersteller für Hörgeräte und Hörgerät-Equipment. Von Med-El, der Firma, die meine Hörimplantate herstellt, gibt es einen Funk-Adapter, der mit dieser Anlage kompatibel ist. Man steckt diesen Adapter einfach anstelle der Batteriehülse auf den Med-El Soundprozessor und hat dann automatisch eine direkte und abhörsichere Funkverbindung zu den Mikrofonen.

Med-El Soundprozessor mit Standard-Batteriehülse (aufgesteckt) und Batteriehülse mit Phonak Funkempfänger (daneben). Beide Hülsen sind gleich breit und dick; die Phonak-Hülse ist allerdings deutlich länger.

Ich habe insgesamt 5 der sogenannten Phonak Table Mic II Tischmikrofone bestellt, da ich häufig Meetings und Konferenzen mit vielen Teilnehmern in großen Räumen habe. In diesen Räumen verteile ich die Tischmikrofone dann so, dass ich jede sprechende Person gut verstehen kann. Die Mikrofone sind gekoppelt: Sie arbeiten also zusammen und übertragen das Gesprochene gemeinsam in meinen Soundprozessor. Das funktioniert ausgezeichnet, wenn man einmal verstanden hat, wie die Kopplung funktioniert.

Die Tonqualität ist hervorragend und die Reichweite enorm. Die Mikrofone haben einen eingebauten Akku, der ausreichend Reserven beinhaltet und werden per Micro-USB-Kabel aufgeladen. Die Lautstärke kann mit einer Fernbedienung reguliert werden; auch ein stummschalten ist möglich. Das ist praktisch, weil ich meine Sitznachbarn am Tisch nicht mehr gut höre, wenn sie mich direkt und am Mikrofon vorbei ansprechen. Das ist ein Problem, weil mein Soundprozessor Umgebungsgeräusche, die nicht in der Nähe des Mikrofons erzeugt werden, herunterfährt. Insgesamt ist die Reichweite der Mikrofone allerdings hervorragend und ich verstehe auch Sprecher, die nicht direkt vor dem Mikrofon sitzen, sehr gut.

Cool an den Roger Table Mics ist, dass sie über einen ganz normalen 3,5mm Klinken-Audioeingang verfügen, mit dem man zum Beispiel ein Smartphone, ein Laptop oder auch den Audioausgang des Fernsehgerätes verbinden kann. Das bedeutet, dass ich die Table Mics auch als Kopfhörer nutzen kann, wenn ich Videos, Musik oder Podcasts am Rechner anhöre. Für Telefonkonferenzen sind diese Tischmikrofone weniger geeignet, weil sie bei einem Connect via Audiokabel keinen Input an das Gerät weitergeben können – mein Gesprochenes wird also nur über das Mikrofon des Laptops oder Smartphones an die übrigen Gesprächsteilnehmer gesendet.

Phonak Roger Table Mic II mit Fernbedienung

Neben diesen 5 Tischmikrofonen habe ich auch noch ein spezielles und besonders leistungsfähiges Mikrofon bekommen, den Roger Select. Dieses Gerät hat mehrere integrierte Mikrofone, die in alle Himmelsrichtungen arbeiten. Das Besondere daran ist, dass der Roger Select eigentlich ein vollautomatisiertes Richtmikrofon ist: Er erkennt automatisch, aus welcher Richtung gesprochen wird und richtet das Mikrofon zur passenden Himmelsrichtung aus. Umgebungsgeräusche aus anderen Richtungen werden dabei wirkungsvoll unterdrückt. Das Hören damit funktioniert noch etwas besser als bei den Phonak Table Mics, die zwar auch 360° hören, aber keine eingebaute Richtmikrofon-Funktion haben.

Ein weiterer Vorteil des Roger Selects ist, dass dieses Mikrofon sehr kompakt und deutlich kleiner als die Table Mics ist. Es kann per Clip oder Halsschlaufe auch von einer vortragenden Person getragen werden. Der Clou dabei: Sobald das Gerät nicht waagerecht sondern senkrecht verwendet wird, richtet sich das Mikrofon automatisch nach oben aus. Ich nutze den Roger Select also nicht nur als Tischmikrofon bei kleineren Zusammenkünften mit maximal 7 Teilnehmern, sondern auch als Mikrofon für den Sprecher, wenn ich Vorträge anhöre.

Wichtig ist, dass man dem Sprecher nach dem Ende des Vortrages das Gerät wieder abnimmt. Ansonsten hat man nicht nur ein teures Problem, sondern auch ein unangenehmes, wenn der Referent zum Beispiel direkt nach der Veranstaltung auf die Toilette geht.

Links: Roger Select; mit Halteclip und Halteschlaufe. Rechts oben Dockingstation für den Roger Select. Das Table Mic zum Größenvergleich rechts.

Der Roger Select ist Bluetooth-fähig – ich kann ihn also auch direkt mit meinem Smartphone per Bluetooth verbinden und quasi als Kopfhörer zum Telefonieren verwenden. Die Tonqualität ist dabei sehr gut; allerdings finde ich dieses Setup zu leise zum Telefonieren und auch meine Gesprächspartner sind von der Tonqualität meiner Sprache nicht besonders beeindruckt. Ich werde beim nächsten Nachsorgetermin im Deutschen Hörzentrum in Hannover mit meinem Audiologen sprechen, ob man die Lautstärke erhöhen kann. Leider hat der Roger Select keinen eigenen Lautstärkeregler; ich kann die Lautstärke also nur über die Soundprozessoren direkt verändern.

Schade ist, dass der Roger Select zwar Telefonanrufe meines Smartphones übertragen kann, aber keine Musik. Dafür muss ich eine Dockingstation verwenden, die per Audiokabel mit der Musikquelle, also dem Smartphone oder Laptopt, verbunden wird. Das liegt nach Aussage von Phonak daran, dass FM-Anlagen kein A2DP-Protokoll verarbeiten können. Toningenieure können mit dieser Information sicher etwas anfangen; ich als technischer Laie verstehe nicht wirklich, warum der Ton eines Telefonates übertragen wird aber nicht der Ton meiner Spotify-App. Kabelloses Musikhören in Funk-Qualität wäre wirklich ein Traum. Ich hoffe sehr, dass irgendwann integrierte Bluetooth-Sender von Med-El auf den Markt kommen, mit denen ich Musik ohne Kabel direkt in die Soundprozessoren senden kann.

Weil das Telefonieren mit dem Roger Select wegen der zu leisen Lautstärke nicht wirklich gut funktioniert, verwende ich dafür lieber die Artone 3 MAX Bluetooth Teleschlinge. Diese verbindet sich per Bluetooth mit dem Smartphone und sendet via Induktionsschleife direkt in die Soundprozessoren. Die Soundqualität ist bei einer induktiven Übertragung deutlich schlechter als bei Funk, weil weniger Signale übertragen werden können. Für das Telefonieren reicht es bei mir allerdings. Außerdem ist die Teleschlinge deutlich lauter und auch mein Gesprochenes kommt beim Gesprächspartner deutlicher an.

Bluetooth-Teleschlinge von Med-El

Zusätzlich zu dieser Bluetooth-Teleschlinge habe ich noch eine weitere, kabelgebundene Induktionsschlinge, die nicht per Bluetooth, sondern per Audiokabel mit der Soundquelle verbunden wird. Diese ist allerdings recht groß und ich benutze sie äußerst selten. Wenn die Soundquelle kein Bluetooth hat, ist dieses Gerät allerdings sehr hilfreich.

Zum Musikhören verwende ich am liebsten die Audiokabel, die ich mit einer entsprechenden Batteriehülse direkt mit der Soundquelle verbinden kann. Das ist wie ein Kopfhörer: Die Übertragungsqualität ist hervorragend, ich brauche keinen Strom und keinen Akku und der Tragekomfort ist super.

Audiokabel mit Batteriehülse für den Soundprozessor. Die Silikonhaken an den Hülsen dienen dem besseren Halt hinter dem Ohr.

Eine wichtige Frage ist noch unbeantwortet: Was kostet das alles?

  • Audiokabel bezahlt in meinem Fall die Krankenkasse; ein Kabel kostet etwa 60 Euro.
  • Die Bluetooth-Teleschlinge habe ich mit dem ersten CI von Med-El geschenkt bekommen. Sie kostet etwa 140 Euro.
  • Die Teleschlinge mit Kabel habe ich mit dem zweiten CI von Med-El geschenkt bekommen. Der Preis für dieses Zubehör liegt bei etwa 45 Euro.

Die FM-Anlage mit Roger Select und den Table Mics ist enorm teuer – insgesamt sind bei mir Kosten in Höhe von über 15.000 Euro entstanden. Alleine die FM-Aufsätze für die Soundprozessoren kosten über 1.200 Euro pro Stück. Dazu sind in diesem Betrag 5 Tischmikrofone enthalten, die ich aus beruflichen Gründen benötige.

Die Kostenübernahme für die FM-Anlage habe ich beim Integrationsamt eingereicht. Diese Behörde übernimmt in der Regel die Kosten für die behindertengerechte Ausstattung von Arbeitsplätze mit dem Ziel, behinderten Arbeitnehmer Chancengleichheit im Beruf zu ermöglichen. Neben dem Integrationsamt kann auch die Rentenversicherung als Kostenträger zur Verantwortung gezogen werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Deutschland ist ein Bürokratieland. Es ist deshalb sehr schwer, pauschal zu sagen, wer welche Kosten von welcher Behörde erstattet bekommt. Jeder Antrag muss plausibel und gut begründet sein. Ein guter Hörgeräteakustiker hilft bei der Beantragung von technischen Hörhilfen – und verkauft natürlich auch das entsprechende Equipment.

Mir hilft dieses Equipment ungemein dabei, auch in schwierigen Hörsituationen hervorragende Hörerfolge zu feiern. Ich verstehe bei Meetings oder Vorträgen nahezu jedes Wort, kann prima telefonieren und höre viel Musik über mein Smartphone. Mit Hörgeräten war dies alles nicht möglich – zwar gibt es auch hierfür dieselben technischen Hörhilfen, aber diese nützen nichts, wenn die Hörgeräte kein ausreichendes Sprachverständnis mehr erzeugen können. Es ist natürlich etwas lästig, dass ich im Beruf jetzt relativ viel Equipment mit mir herumschleppen und Bluetooth-Geräte koppeln muss. Aber das ist ein sehr kleiner Preis für ein sehr gutes Hörerlebnis. Und: Die Zubehörtechnik entwickelt sich ständig weiter. Hier wird in den nächsten Jahren noch sehr viel passieren und ich bin sicher, dass der Kabel- und Kopplungssalat in Zukunft noch einfacher zu handhaben sein wird.

Tag 356/294 – Auslandsurlaub

Heute sind wir spontan für ein paar Tage ans Meer gefahren – nach Südschweden, zu unserem Lieblingscampingplatz, auf dem wir mit dem Zelt direkt am Strand campen können. Auch wenn ich immer gern neue Länder, Plätze und Erfahrungen suche, zieht es mich und meine Familie immer wieder an diesen traumhaften Platz. Der Strand ist wundervoll und nicht überfüllt, das Wasser sauber und es fällt nicht steil ab, alle paar Stunden kommen große Wellen, die von den Fährschiffen verursacht werden, die in naher Entfernung durch die Ostsee fahren und man lernt dort immer wieder nette Menschen kennen, die genau wie ich sehr naturverbunden sind und abends lieber am Lagerfeuer sitzen, anstatt in einer Hotelanlage auf dem reservierten Liegestuhl am Pool zu liegen und Cocktails zu schlürfen. Pauschalurlaub war noch nie mein Fall – ich bin eigentlich immer mit dem Zelt unterwegs oder übernachte in einer Ferienwohnung oder privat via AirBnb. Wir treffen dort auch regelmäßig Menschen wieder, die wir in früheren Urlauben kennen gelernt haben und teilweise haben sich auch private Kontakte ergeben, die bis heute fortbestehen.

Für Hörgeräte oder Audioprozessoren ist so ein Urlaub eine enorme Herausforderung. Vor allem der Sand, der sich nach ein paar Tagen auch im Zelt ausbreitet, ist für die Technik kritisch. Bei großer Hitze schwitzt man – vor allem wenn man ein 30 Kilo schweres Familienzelt auf- oder abbauen muss. Wenn es regnet, ist man nie ganz trocken und da wir ohne Strom zelten, ist das Verwenden einer elektrischen Trockenbox, welche die Feuchtigkeit aus dem Hörequipment zieht, problematisch – das geht eigentlich nur im Waschraum, wo man dann zwei Stunden neben dem Gerät sitzen und darauf warten muss, dass die Trocknung beendet ist.

Da ich in der letzten Zeit sowieso Probleme mit dem Eindringen von Feuchtigkeit in meine Audioprozessoren hatte, bin ich ein bißchen pessimistisch. Letztendlich hat aber alles besser geklappt, als erwartet.

Wichtig ist, dass man Behälter dabei hat, die dicht sind und in die kein Sand eindringen kann. Ich habe dafür die kleinen Täschchen verwendet, die man von Med-El mit dem Audioprozessor bekommt und die Prozessoren immer, aber auch wirklich immer dort verstaut, wenn ich sie abgenommen habe – und nicht etwa auf einen Kleiderhaufen legt oder sonst irgendwohin, wo sie aus Versehen im Sand landen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden können. Beim Zeltauf- und Abbau habe ich sie abgenommen, weil dies bei knapp 30 grad am Strand doch sehr schweißtreibend ist. Für das Trocknen habe ich eine Trockenbox mit Trockenkapseln dabei gehabt, die ich aber nicht verwenden musste. Einige Male habe ich die Audioprozessoren in der Sonne trocken lassen – allerdings nicht in der vollen Sonnenstrahlung, weil diese Hitze problematisch werden kann, sondern ein wenig im Schatten – und sicher abgelegt in einem Plastikteller oder eine Schüssel an einer Stelle, wo niemand aus Versehen gegen stoßen kann.

Wie jedes Mal an diesem Platz lernen wir auch diese Jahr wieder nette Menschen kennen – und zum ersten Mal, seitdem ich dort hinfahre, sind diese Gespräche nicht anstrengend für mich, sondern sie machen einfach Spaß. Wir treffen eine nette Familie aus Thüringen wieder, die schon vor vier Jahren neben uns gezeltet hat und es ist wunderschön, auch Abends im Dunkeln zusammenzusitzen und sich zu unterhalten, ohne dass ich dabei einen Halogenstrahler auf das Gesicht meiner Gesprächspartner richten muss, um von den Lippen ablesen zu können.

Auch das Einkaufen, im Restaurant, überall dort, wo ich Englisch brauche, ist alles so viel einfacher. Ich verstehe nicht alles, aber fast alles und fühle mich so viel sicherer in der Kommunikation als früher.

Die Urlaubstage sind leider wegen einer herannahenden Gewitterfront viel zu schnell vorbei. Aber es war dennoch eine wundervolle Erfahrung, auch im Ausland so gut hören und kommunizieren zu können und ich freue mich wahnsinnig auf den nächsten Auslandsaufenthalt.

Tag 349/287 – Big Little Lies

Seit meiner Jugend, in der sich mein Gehör rapide verschlechtert hatte, schaue ich Filme und Serien eigentlich nur mit Untertitelung. Ins Kino bin ich fast nur dann gegangen, wenn eine Originalversion mit Untertiteln (OmU) auf dem Programm stand. In einigen, wenigen Fällen, wenn ich Blockbuster, die nicht in Programmkinos liefen, unbedingt sehen wollte, habe ich mir die Handlung vorher durchgelesen, um halbwegs zu verstehen, worum es ging. Beim Fernsehen habe ich immer Teletext-Untertitel verwendet, sofern diese verfügbar waren. Ich habe häufig DVDs und später BluRays gekauft, weil hier eigentlich immer Untertitel verfügbar sind. Und auch mit meinen Hörimplantaten habe ich die Untertitel meistens angelassen, weil ich es so gewohnt bin und weil es mir auch mit Hörimplantaten einfach zu anstrengend war, über einen längeren Zeitraum konzentriert zuzuhören. Gelegentlich habe ich die Untertitel für eine halbe Stunde oder eine Episode einer Serie ausgeschaltet und den ein oder anderen Tatort habe ich auch schon ganz ohne Untertitel geschaut. Aber generell wollte ich auf diese Unterstützung bislang nicht verzichten.

Ich brauche sie jetzt nicht mehr. Meine EBH wollte gern mit mir ‚Big Little Lies‘ schauen – eine siebenteilige US-amerikanische Fernsehserie auf Sky, bei denen die Untertitel – warum auch immer – zwar angekündigt waren, aber nicht funktionierten. Ich habe es trotzdem versucht – und die komplette erste Staffel dieser wirklich tollen Serie komplett ohne Untertitel angeschaut. In den gesamten sieben Folgen musste ich vielleicht ein oder zweimal anhalten und meine EBH fragen, was gesagt wurde oder ob ich richtig verstanden habe. Abgesehen davon habe ich fast alles verstanden und konnte der Handlung hervorragend folgen. Ich muss hinzufügen, dass in dieser Serie eigentlich nonstop geredet wird – und zwar überwiegend von Frauen, die ich normalerweise wegen der höheren Stimmlage etwas schlechter verstehe als Männer. Außerdem sprechen die Schauspieler Englisch – Lippenablesen ist also nicht möglich.

Seitdem schalte ich Untertitel nicht mehr automatisch an, sondern nur noch dann, wenn ich enorm müde bin, die Schauspieler gar nicht verstehe oder meine Teleschlinge, die per Bluetooth mit dem Fernseher verbunden ist, nicht aufgeladen oder verlegt ist. Das Verstehen über den Fernseher selbst ohne Equipment, das mir den Ton direkt in die Audioprozessoren speist, ist mit meinem Fernsehgerät leider nicht möglich – dazu ist die Soundqualität zu schlecht. Vielleicht bekomme ich dieses Problem mit einem besseren TV-Gerät oder einer hochwertigen Soundbar noch besser in den Griff. Bis dahin freue ich mich darüber, dass ich endlich kein oder kaum noch ein Handicap beim Anschauen von Filmen und Serien habe. Und freue mich darauf, die zweite Staffel von ‚Haus des Geldes‘ untertitelfrei genießen zu können.

Tag 315/253 – Fachkonferenz

In Hamburg findet jedes Jahr die ‚Product Working‚ Konferenz statt – ein zweitägiges Event für Produktmanagement, die von eparo organisiert wird – der Firma eines Kollegen und Freundes, die auf die Gestaltung von digitalen Produkten spezialisiert ist. Ich habe Fachkonferenzen bislang weitgehend gemieden, weil die Kommunikation bei Vorträgen, Workshops und dem geselligen Beisammensein für mich einfach zu anstrengend war. Spätestens nach zwei bis drei Stunden war ich ausgepowert und nicht mehr aufnahmefähig. Aber mit meinen Hörimplantaten wage ich heute den Versuch, mich zwei Tage lang mit anderen Designern und Produktmanagern auszutauschen und ich freue mich sehr darauf.

Um möglichst viel mitzubekommen, nehme ich mein gesamtes Hörequipment mit: Meinen Roger Select – das Mikrofon, das ich für Vorträge nutze und das die Stimme des Sprechers direkt in meine Soundprozessoren überträgt. Und 5 Tischmikrofone, die Table Mics. Alle diese Mikrofone sind miteinander verbunden und übertragen das Gesprochene direkt in meine Soundprozessoren.

Der erste Tag beginnt mit einem Kaffeetrinken auf dem Hof des Veranstaltungsgeländes. Ich treffe einige bekannte Gesichter aus meiner Freelancer-Zeit wieder und spreche mich kurz mit den Tontechnikern in den Vortragsräumen ab, damit sie Bescheid wissen. Dann gibt es eine Begrüßungsrede von Rolf, dem Gründer und Leiter von eparo, und seiner Partnerin Beate, die mit Rolf zusammenarbeitet und ebenfalls als Moderatorin aktiv ist. Rolf bekommt mein Mikrofon umgehängt und ich verstehe jedes Wort; das ist ein super Start.

Anschließend gehen die Vorträge los – parallel in zwei Hallen. Teilweise wird in englischer Sprache vorgetragen. Ich verwende hier entweder den Roger Select oder ein Table Mic, das ich auf dem Vortragstisch platziere. Und verstehe selbst in der zweiten oder dritten Reihe nahezu jeden Vortrag. Selbst während der Diskussionen nach den Vorträgen, für die sogenannte ‚Speaker Corners‘ eingerichtet sind, in denen man die Referenten nach dem Vortrag ansprechen kann, verstehe ich super, nachdem ich mein Table Mic auf dem Stehtisch platziere, um den herum die Teilnehmer stehen und mit dem Sprecher oder der Sprecherin diskutieren.

Auch in den Pause habe ich viel Spaß – Small Talk kann wundervoll sein, wenn man hören kann. Ich treffe viele interessante Leute, führe Fach- und persönliche Gespräche und kommuniziere eigentlich durchgehend. Zwischendurch genehmige ich mir auch einmal eine Hörpause, aber insgesamt ist alles so aufregend und ergiebig, dass ich dazu kaum komme.

Am Nachmittag steht Gruppenarbeit auf dem Programm – bislang für mich eine reine Hörhölle. Erst werden Themen gesammelt und geclustert – etwa 50 Personen sitzen dabei in einem großen Halbkreis um ein Board, auf dem Themenvorschläge der Teilnehmer, die man mit Edding auf Haftzettel geschrieben hat, gesammelt werden. Jeder Vorschlag wird am Board vorgestellt und nachdem alle Vorschläge eingegangen sind, versuchen wir gemeinsam, daraus sinnvolle Themenblöcke zu erstellen. Um hier aktiv mitdiskutieren zu können, platziere ich 4 Phonak Table Mics vor den Stühlen im Halbkreis und markiere sie mit bunten Haftzetteln, damit niemand aus Versehen drauf tritt. Ein weiteres Mikrofon wird direkt unter dem Board platziert.

Das Resultat ist erstaunlich – ich kann dieser Diskussion tatsächlich ziemlich gut folgen. Sowohl die Diskussionsbeiträge aus der Runde als auch die Vorstellungen am Board kommen klar und deutlich bei mir an.

Anschließend werden Gruppen gebildet, die sich mit den ausgewählten Themen beschäftigen. Auch hier verwende ich zwei Mikrofone, die ich auf den Tisch platziere, um den die etwa 12 Teilnehmer meiner Gruppe sitzen und stehen. Und auch hier kann ich gut mithalten, werde aber am Ende doch etwas müde und schalte mich ein paarmal für wenige Minuten aus, um Hörkraft zu schöpfen.

Bei der Präsentation der Ergebnisse in der großen Runde bin ich dann k.o. Die Akkus meiner Mikrofone sind teilweise leer und ich verfolge das Geschehen eher am Rande. Dafür habe ich später beim gemeinsamen Grillen wieder viel Spaß an interessanten Fachgesprächen am Esstisch. Und dann geht es müde aber glücklich nach Hause.

Der zweite Tag startet wie der erste mit spannenden Vorträgen, bei denen ich alles gut verstehe. Am Nachmittag habe ich mich für einen Achtsamkeitsworkshop angemeldet, bei dem wir untere anderem einen sogenannten Bodyscan machen: Man liegt auf einer Yogamatte, hört die Anweisungen der Workshopleiterin und entspannt Körperteil für Körperteil. Auch das ist wieder eine tolle Erfahrung: Ich kann mich entspannen und dabei hören. Das wäre früher unmöglich gewesen, weil ich mich voll auf den Sprecher oder die Sprecherin hätte konzentrieren müssen und ohne unterstützendes Lippen-Ablesen kein Wort verstanden hätte. Auch hier setze ich in der Gruppendiskussion meine Table-Mics ein; die Workshopleiterin bekommt außerdem den Roger Select umgehängt. Die Table Mics und der Select arbeiten synchronisiert: Die Table Mic Mikrofone sind immer dann aktiv, wenn kein Input aus dem Roger Select kommt und andersherum stellt funkt der Roger Select ohne die Umgebungsmikrofone, wenn in ihn herein gesprochen wird.

Und anschließend geht es nach Hause. Zwei tolle Tage mit einer Hörerfahrung, die vor einem Jahr undenkbar gewesen wäre. Und ich freue mich auf die nächste Fachkonferenz im September!

Tag 268/206 – Tennis

Seit meiner Kindheit spiele ich enorm gerne Tennis. In den 80er Jahren war dies noch eine Exklusivsportart; die Mitgliedschaft in einem Verein war ebenso wie das Equipment sehr teuer. Meine Eltern waren Mitglieder im örtlichen Tennisverein meines Heimatdorfes; also bekamen auch wir Kinder Trainerstunden. Ich verbrachte viele Nachmittage an der Ballwand und versuchte meinen großen Vorbildern Jimmy Connors und John McEnroe nachzueifern und ihre Schlagtechnik zu kopieren. Auch den kometenhaften Aufstieg von Boris Becker, der 1985 im Alter von 17 Jahren das traditionsreiche Tennisturnier in Wimbledon gewann, verfolgte ich gebannt am Fernseher.

Mit dem Wegzug aus dem Münsterland gab ich diesen Sport auf. Während meiner Studienzeit spielte ich noch ein paar Mal mit Studienfreunden, aber ich trainierte nicht mehr wirklich und verfolgte höchstens noch manchmal Grand-Slam-Endspiele vor dem Fernseher.

Als meine Kinder vor ein paar Jahren in den hiesigen Tennisverein eintraten und mit dem Training begannen, war das Fieber wieder da. Ich meldete mich ebenfalls im Verein an, hatte knapp ein Jahr Einzelunterricht und musste vieles neu lernen; denn die Schlagtechnik hatte sich in den vergangenen 30 Jahren stark verändert.

Seitdem spiele ich regelmäßig und im Sommer so oft wie es geht mit einem festen Trainingspartner; ab der nächsten Saison bestreite ich vielleicht auch ein paar Punktspiele mit der hiesigen Tennismannschaft, die recht erfolgreich unterwegs ist.

Alle zwei Wochen treffen sich die Tennis-Herren zum ‚Herrenabend‘ – es wird gemeinsam trainiert, ein paar Doppel-Spiele werden absolviert und danach wird gemütlich Bier getrunken und gegrillt. Diese Abende sind immer sehr nett – bislang konnte ich mich an den Gesprächen aber nur sehr schlecht beteiligen. Auch wenn meine Vereinskameraden immer sehr bemüht waren, mich einzubinden und ich dort alles andere als isoliert bin, steht man doch etwas außen vor, wenn man den Gesprächen in einer geselligen Runde nicht folgen kann. Man ist zwar dabei, aber nicht mittendrin. Man versteht die Witze nicht, lacht aber dennoch mit. Man kann Einzelgespräche führen, aber sobald die Kommunikation quer über den Tisch läuft, ist man raus.

Auch während der Spiele ist nicht-Hören-können problematisch. Ich habe zum Beispiel nie gehört, wenn ein Ball die Netzkante noch so gerade berührt hat. Ob jemand ‚Aus‘ ruft. Oder ‚Warte‘. Auch wenn Tennis überwiegend ein Einzelsport ist, ist Kommunikation doch nicht unwichtig und es kam häufiger vor, dass mein Doppelpartner zu mir nach vorne kommen musste, weil ich nicht mitbekam, dass er mir von hinten etwas zurief.

Meine Hörimplantate haben auch hier meine Lebensqualität deutlich verbessert. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten mal hörte, dass das Schlagen des Balles mit dem Schläger ein ganz anderes Geräusch macht, als das Aufschlagen auf dem Boden. Ich kann den Anweisungen meiner Spielpartner folgen und verstehe größtenteils auch die Ansagen der Spielstände. Und nicht zuletzt kann ich jetzt auch endlich in der Runde mitreden – wie heute beim alljährlichen Sommer-Eröffungsturnier.

Wir haben viel Spaß bei unseren Mixed-Doppels (jeweils ein Mann und eine Frau pro Seite) und auch danach bei vielen interessanten Unterhaltungen beim Grillen. Ich kann endlich mitlachen – und weiß warum, Fragen beantworten, mich in Gespräche einschalten – und das Zusammensein genießen. Zwar verstehe ich nach wie vor nicht alles; manches muss wiederholt werden. Aber im Vergleich zum Eröffnungsturnier vom letzten Jahr, bin ich ganz anders dabei. Und das ist gut so.

Tag 252/190 – Nachtexpress

Heute habe ich wieder eine lange Fahrt vor mir: Vom SAP Hauptquartier in Walldorf geht es zurück nach Hause. Auf dem Weg dahin statte ich meiner jüngeren Schwester Liane einen Besuch ab. Wie auch ich selbst, ist meine Schwester sehr musikalisch und hat eigentlich immer schon Musik gemacht. Seit einigen Jahren ist sie mit ihrem Saxophon Mitglied einer Band namens Nachtexpress, die im bergischen Land bei regionalen Veranstaltungen mit Evergreens für gute Stimmung sorgt.

Wie schon an anderer Stelle in diesem Blog beschrieben, habe ich als Kind und Jugendlicher selber in einer Schulband gespielt – ebenso in einem Schulorchester, in einer Schul-Big-Band und im Posaunenchor unserer evangelischen Gemeinde. Das Musizieren mit anderen hat mir immer sehr viel Spaß gemacht und ich habe dies in all den Jahren, in denen mein Gehör zu schlecht war, um dies fortzuführen, sehr vermisst.

Kurz vor Weihnachten hatte ich meine Schwester darum gebeten, mir einen Traum zu verwirklichen: Ich möchte gern wieder einmal mit einer Band spielen und ausprobieren, ob dies mit meinen Cochlea-Implantaten funktioniert. Dieser Traum soll heute wahr werden: Die Bandmitglieder des Nachtexpresses erklärten sich sofort bereit, dies zu unterstützen. Also bin ich auf dem Weg ins Bergische Land, um dort im Proberaum ’99 Luftballons‘ am Schlagzeug mit dem Nachtexpress zu spielen. Und meine Schwester wird dazu singen.

Ich habe für dieses Arrangement lange geübt. ’99 Luftballons‘ ist am Schlagzeug recht schwierig zu spielen, weil der Refrain sehr schnell gespielt wird und das Schlagzeug dazu 16tel-Noten spielt. Dazu kommt, dass das Schlagzeug erst nach der ersten Strophe einsetzt und nicht, wie bei den meisten Songs, den Takt vorgibt. Ich werde dieses Stück sicher nicht perfekt herunterspielen können, aber es geht mir vielmehr darum auszuprobieren, ob ich mit meinem elektrischen Ohr überhaupt in der Lage bin, zusammen mit anderen Musikern in einer Band zu spielen.

Schon auf der Fahrt nach Wiehl bin ich wirklich aufgeregt. Die Wiedersehensfreude, als ich dort ankomme, ist wie immer sehr groß und ich werde herzlich von den Bandmitgliedern des Nachtexpress begrüßt. Einige kenne ich schon von früheren Geburtstagsfeiern meiner Schwester. Die Probe ist in vollem Gange; heute stellt sich eine neue Sängerin vor. Ich setze mich in eine Ecke und schaue der Truppe zu. Alle haben sehr viel Spaß an der Musik – das spürt man mit jedem Takt. Natürlich beobachte ich den Schlagzeuger besonders. Er spielt hervorragend – je länger ich ihm zuschaue, desto kleiner und schüchterner werde ich auf meinem Stuhl. Ich spiele selbst ja erst seit 3 Jahren, und auch wenn ich durchaus talentiert bin und recht schnell lerne, bin ich noch meilenweit von solch einer semi-professionellen Spielweise entfernt.

Dann folgt eine kurze Spielpause. Wir trinken zusammen ein Bier und die Stimmung ist super entspannt. Dann ist es soweit. Ich stelle mich kurz vor, erkläre, was es mit meinen Ohren auf sich hat, bedanke mich im Voraus dafür, dass die Band diese Aktion unterstützt und setze mich ans Schlagzeug, das ein wenig anders aufgebaut ist, als mein Drum-Set zu hause. Ich bin wirklich enorm nervös und mein Pulsschlag rennt schneller als der Beat bei 99 Luftballons. Aber egal – es gibt jetzt kein Zurück.

Die Musik setzt ein, Liane beginnt zu singen, ich warte meinen Einsatz ab und dann geht es los. Und: Es funktioniert. Vor Aufregung verliere ich direkt einen meiner Sticks. Aber ich kann den Takt halbwegs halten. Ab und zu brauche ich ein paar visuelle Hinweise, weil das Schlagzeug doch recht laut ist und die anderen Instrumente übertönt. Ich spiele ohne zusätzliches Equipment und ohne Kopfhörer; das ist nicht einfach, aber es geht. Ich merke schnell, dass es ist deutlich schwieriger ist, mit Menschen zusammenzuspielen, als mit einem Lautsprecher, aus dem der Originalsong tönt. Denn jede Band spielt ein Stück etwas anders und ich habe hier nicht das Original-Schlagzeug mit im Ohr, das mir zuhause hilft, den Beat sauber zu spielen. Alles ist halt etwas holprig, aber:

Es funktioniert! Auch wenn meine Performance insgesamt ziemlich unterirdisch und alles andere als auftrittsreif ist: Wegen der Aufregung, dem ungewohnten Schlagzeug-Setup, weil ich noch nie mit diesen Menschen zusammen Musik gemacht habe und nicht aufeinander eingespielt sind. Und auch weil auch meine Schwester so aufgeregt ist, dass sich ein paar Fehler in ihren Gesang einschleichen – was ich selber allerdings gar nicht bemerke.

Dann ist das Stück vorbei. Der Nachtexpress applaudiert und meine Schwester und ich fallen uns überglücklich in die Arme und können uns ein paar Tränen nicht verkneifen. Wer hätte gedacht, dass so etwas jemals wieder möglich sein wird. Mit entsprechendem Equipment und einem aufeinander eingespielten Team – und vor allem mit einem einfacher zu spielenden Song – kann ich wieder Musik mit anderen machen. Alle Bandmitglieder freuen sich enorm mit mir und ich werde herzlich eingeladen, jederzeit wieder vorbeizukommen. Was für ein tolles Erlebnis!

Dann fahre ich glücklich zurück nach Hause. Dass ich in all der Aufregung meine Tasche mit dem Hörequipment im Proberaum vergesse, ist etwas ärgerlich, aber die bekomme ein paar Tage per Post hinterhergeschickt.

Meinen herzlichen Dank nochmal an die tolle Truppe vom Nachtexpress für dieses einmalige Geschenk – ihr seid super!

Tag 247/185 – Kopfhörer

Dieses Wochenende verbringe ich bei einem sehr guten Freund in Zürich. Da ich in der Woche davor und auch danach aus beruflichen Gründen in Walldorf sein muss, die Strecke von Walldorf nach Zürich deutlich kürzer ist als nach Hause und Gregor und ich uns wegen der großen Entfernung sowieso zu selten sehen, nutze ich die Gelegenheit und fahre gen Süden statt Norden.

Die Wiedersehensfreude ist groß und wir haben uns wie immer viel zu erzählen. Und es ist alles so viel einfacher als früher – ich verstehe auch den Schweizer Dialekt mittlerweile wirklich gut, kann mich flüssig mit Gregors bezaubernden Töchtern unterhalten und auch als am Freitag Abend ein weiterer gemeinsamer Freund dazu stößt, der ebenfalls in Zürich wohnt, kann ich an der gemeinsamen Unterhaltung nahezu ohne Einschränkung teilnehmen. Früher war das schwieriger – ich brauchte hier häufig Wiederholungen, musste den Diskussionsfluss anhalten und es war alles sehr anstrengend. Wir quatschen bis spät in die Nacht, trinken guten Wein und genießen unser Wiedersehen.

Am Samstag vormittag fahren zusammen wir in die Zürcher Innenstadt – meine schweizerischen Freunde müssen einige Dinge erledigen und ich bummele in dieser Zeit mit den Kindern durch die Einkaufsstadt. Wir landen in einem sehr schönen Kaufhaus, in dem es viele interessante Dinge zu bestaunen gibt. Natürlich zieht es uns auch in die Elektronikabteilung, wo Spielkonsolen, Fernseher, die neuesten Smartphones und viele andere Dinge angeschaut werden.

Die Kinder haben vor allem viel Spaß an einem Stand mit Kopfhörern und hören sich dort die aktuellen Charts an. Quasi zum Spaß stülpe auch ich mir einen sehr hochwertigen On-ear-Kopfhörer von Bose über die Prozessoren, der ausreichend große Hörmuscheln hat – und bin total überrascht und beeindruckt, wie gut die Musik damit klingt. Ich bin vorher nicht einmal ansatzweise auf die Idee gekommen, einen Kopfhörer auf meine Soundprozessoren zu setzen. Zum Musikhören nutzte ich bisher die Batteriehülsen mit den eingebauten Audiokabeln, die ich direkt mit dem Smartphone verbinde – die Musik geht dann direkt in die Soundprozessoren. Das hört sich super an, allerdings stören die Kabel hinter den Ohren doch etwas. Die Hörqualität mit diesen hochwertigen Kopfhörern ist allerdings fast noch besser; die Bässe klingen fetter und auch das Tragegefühl ist trotz der Soundprozessoren, die etwas zwischen Ohrmuschel und Kopfhörermuschel eingeklemmt sind, wirklich gut.

Ich werde mir jetzt unbedingt einen guten Kopfhörer bestellen. Die Handhabung ist deutlich einfacher als das Wechseln der Batteriehülsen und das Anbringen der Kabel, der Sound ist besser und einen Bluetooth-fähigen Kopfhörer kann ich auch mit meinem beruflich genutzten iPhone verwenden, das leider keinen Kopfhörereingang mehr hat.

Am Abend geht es nach Luzern, wo ich einen weiteren Freund besuche, den ich sehr lange nicht mehr gesehen habe. Wir verleben einen sehr schönen Abend mit einem tollen Essen, haben uns sehr viel zu erzählen und auch hier ist es erstaunlich, wie einfach die Kommunikation geworden ist.

Dies fällt mir auch am Sonntag aus, als ich – zurück bei meinen Freunden in Zürich – draußen mit den Kindern Fußball spiele. Andere Kinder aus der Nachbarschaft gesellen sich schnell dazu, natürlich werde ich sofort gefragt, was ich denn hinter dem Ohr bzw. am Kopf habe und ich verstehe auch in dieser Situation hervorragend und kann flüssig mit den Kindern kommunizieren. Das ging früher gar nicht, denn Kinder sprechen in der Regel nicht sehr deutlich und sind mit schwierigen Kommunikationssituationen, in denen ein Erwachsener gar nichts versteht, schnell überfordert.

Auch am Sonntagabend gibt es noch viel zu erzählen und zu besprechen und am Montag fahre ich dann glücklich, gut erholt und kein bißchen erschöpft vom ganzen Zuhören zurück nach Walldorf.

Tag 182/120 – Training

Ich habe hier schon einmal beschrieben, welches Equipment ich benutze, um zu telefonieren, TV zu schauen und Gesprächen und Vorträgen in größerer Runde zuhören zu können. Heute steht ein englischsprachiges Design-Training meines Arbeitgebers an und ich bin sehr gespannt, wie gut sich die Tischmikrofon-Anlage im harten Arbeitsalltag schlägt.

An diesem Training, das an zwei aufeinander folgenden Tagen stattfindet, nehmen etwa 12 Kollegen teil. Es wird teils präsentiert, teils in der Runde diskutiert und teils werden Arbeitsgruppen mit 2-4 Personen gebildet, die an bestimmten Themen arbeiten sollen. Insgesamt also ein totaler Worst-Case für eine hörgeschädigte Person: Englisch, mehr als 5 Personen, Diskussionen Quer-Beet und Gruppenarbeit in einem Raum. Mit Hörgeräten hätte ich hier kaum etwas mitbekommen und wäre nach zwei Stunden restlos k.o. gewesen.

Weil der Raum recht groß ist und die Teilnehmer an einem U-förmigen Tisch sitzen, platziere ich drei meiner Table-Mics strategisch am Konferenztisch: Vor den Sprechern, in der Mitte und am Ende des Tisches. Die Mikrofone sind miteinander Ich selbst sitze – wie immer – vorne, damit ich ein wenig von den Lippen ablesen kann.

Und das funktioniert wirklich hervorragend. Bei der einleitenden Präsentation verstehe ich fast jedes Wort – und das auf Englisch. Hilfreich ist, dass beide Trainer muttersprachliche Deutsch sind. „Deutsches Englisch“ verstehe ich immer noch deutlich besser als native Speakers – also muttersprachliche Engländer oder US-Amerikaner. Auch „indisches Englisch“ verstehe ich übrigens sehr gut; spanisches und chinesisches Englisch ist für mich hingegen schwieriger zu verstehen.

Auch bei der Vorstellungsrunde der Teilnehmer verstehe ich ausgezeichnet. Das war bisher immer der pure Horror: Nicht nur, weil ich die weiter entfernt sitzenden Teilnehmer nicht verstehe, sondern weil ich in solchen Situationen, in denen die Teilnehmer einer Runde nacheinander etwas sagen, auch meistens nicht verstanden habe, was gesagt werden soll. Ich habe meist die Anweisungen zu einer solchen Runde nicht verstanden und weiß nie, was die Runde von mir erwartet: Stellen wir uns vor? Lang? Kurz? Sollen bestimmte Fragen beantwortet werden? Der Worst-Case ist immer, wenn ich als erste Person etwas sagen soll – was häufig vorkommt, weil ich ja fast immer ganz vorne sitze. Und meine Erleichterung ist riesig, wenn am anderen Ende begonnen wird. Dann habe ich zumindest die Chance, aus den Redebeiträgen der anderen Teilnehmer zu erkennen, was erwartet wird. Oftmals habe ich aber auch die Beiträge der Teilnehmer nicht verstanden und während der Vorstellungsrunde gehofft, dass zumindest die Person neben mir so deutlich spricht, dass ich weiß, was ich sagen soll.

Auch heute bin ich als erster dran, aber: Ich verstehe, was von mir erwartet wird. Das ist eine riesige Erleichterung. Natürlich erzähle ich bei meiner Vorstellung auch heute kurz etwas über meine Ohren. Denn zum einen ist jede Kommunikationssituation für mich einfacher, wenn meine Gegenüber wissen, inwieweit ich eingeschränkt bin und worauf sie beim Sprechen achten müsse: langsam und deutlich sprechen, nicht brüllen. Eine gut verständliche Lautstärke ist natürlich hilfreich, aber generell nützt es mir nicht viel, wenn Menschen deutlich lauter sprechen als normal. Das verändert das normale Sprechtimbre und meistens wird es für mich dann eher schwieriger als einfacher, gut zu verstehen. Zum anderen muss ich natürlich auch kurz erklären, warum ich Tischmikrofone im Raum verteile und wie das Ganze funktioniert.

Die anschließende Vorstellungsrunde verstehe ich ebenfalls sehr gut und auch in den darauffolgenden Stunde kann ich dem gesamten Training prima folgen. Selbst die Gruppenarbeit klappt super – ich kann die Tischmikrofone dafür stumm schalten und verstehe trotz der Umgebungsgeräusche gut, was meine Arbeitsgruppenteilnehmer sagen.

Vor allem: Ich kann der Veranstaltung über den gesamten Tag hinweg gut folgen. Bei der abschließenden Präsentation der Gruppenarbeitsergebnisse wird es etwas schwieriger, weil sehr viel diskutiert wird; hier schalte ich ein paar mal gedanklich ab, weil ich Hörpausen brauche. Insgesamt habe ich aber wirklich fast alles verstanden – und das in einer Fremdsprache. Das war vor einem halben Jahr, mit Hörgeräten, noch vollkommen undenkbar. Und ich bin am Abend zwar etwas geschafft, aber glücklich und keinesfalls so ausgelaugt, wie ich es mit Hörgeräten schon nach zwei oder drei Stunden gewesen wäre.

Auch der nächste Tag, an dem ich leider nur bis zum Mittag teilnehmen kann, ist ein voller Hörerfolg. Ich habe in diesen zwei Tagen viel gelernt, nette Menschen kennen gelernt und die wundervolle Erfahrung gemacht, dass ich vor Trainingssituationen keine Angst mehr haben muss. Und das ist das schönste Learning überhaupt.

Tag 89/66 – Telefondienst

Meine Erfolge am Telefon nehmen mir langsam aber sicher die Angst, Telefonate auch mit Menschen zu führen, die ich nicht kenne. Heute gibt es kein Halten mehr: Ich telefoniere erst mit einem Anwaltsbüro, das ich wegen einer Unterhaltsangelegenheit in Anspruch nehmen muss. Dann mit zwei Versicherungen, um die Kostenübernahme für einen etwaigen Prozess zu klären und um Versicherungsunterlagen zu erhalten, die an eine veraltete Adresse gesendet wurden. Nicht nur die Kommunikation mit dem Sprachcomputer läuft einwandfrei – drücken Sie die 1, wenn Sie männlich sind. Drücken Sie die 0, wenn Sie mit einem Menschen sprechen wollen. Drücken Sie die 7, wenn Sie jetzt komplett verzweifelt sind. Ich verstehe das Ding besser als er mich. Auch alles andere klappt einwandfrei und ich muss nur ein- oder zweimal nachfragen, weil ich etwas nicht ganz korrekt verstanden habe.

Lernen muss ich noch, wie sich schlechte Verbindungen äußern: Leiser Empfang, Rauschen, Aussetzer: All das ist völlig neu für mich und ich weiß manchmal nicht, ob es eine schlechte Verbindung gibt oder ich selbst ein Konnektivitätsproblem mit meinem Hörequipment habe. Junior I steht während eines Gespräches mit der Anwaltskanzlei neben mir und ist recht fassungslos, weil er überhaupt nicht dolmetschend eingreifen muss. Bislang kam die Familie immer angerannt, wenn ich am Telefon war, um zu übersetzen. Das brauche ich jetzt nicht mehr.

Etwas später absolviere ich dann meine erste berufliche Telefonkonferenz. Wir sind nur zu zweit, weil einige der Teilnehmer verhindert sind, aber ich verstehe meinen nicht besonders deutlich sprechenden Kollegen einwandfrei – und das ohne Videoübertragung. Ich bin gespannt, wie ich mich in einer Telefonkonferenz mit mehreren Teilnehmern schlagen werde. Am Anfang wird es sicherlich nicht einfach, aber ich glaube mittlerweile, dass ich auch das irgendwann meistern werde. Insgesamt stehe ich ja noch ganz am Anfang und es ist noch viel Raum für weitere Hörverbesserungen und Nachjustierungen.

Tag 85/22 – Quasselstrippe

Heute Abend habe ich 28 Minuten und 45 Sekunden mit meiner Schwester telefoniert und fast alles hervorragend verstanden. Es war noch nicht einmal anstrengend, sondern einfach nur toll. Meine ErstBesteHälfte muss sich jetzt daran gewöhnen, dass ihre ZweitBesteHälfe zuhause spricht, auch wenn sonst niemand im Raum ist. Das ist ungewohnt.

Zum Telefonieren nutze ich meistens die Teleschlinge, die ich mir um den Hals hänge und die per Bluetooth mit meinem Smartphone kommuniziert. Der Ton der Teleschlinge wird über Induktion in meine Soundprozessoren übertragen. Etwas nervig ist, dass ich vor einem Telefonat

  1. die Teleschlinge umhängen und einschalten muss. Allerdings trage ich das Ding sowieso meistens um den Hals.
  2. Das Telefon per Bluetooth damit verbinden muss. Da ich mehrere Bluetooth-Geräte nutze (zwei Smartphones, den TV-Sender und meine Laptops), kann es ein wenig dauern, bis die Verbindung zum richtigen Gerät steht.
  3. Die Soundprozessoren auf Teleschlingen-Empfang stellen muss. Dazu brauche ich die Fernbedienung, die natürlich immer dann unauffindbar ist, wenn ich sie gerade benötige.

Ich hoffe sehr, dass MED-EL es irgendwann schafft, eine direkt Verbindung zum Smartphone ohne Teleschlinge zu ermöglichen. Cochlear, der größte CI-Hersteller, bietet dieses Feature bereits in seinem aktuellsten HdO-Gerät, dem Nucleus 7, an. Das war mitunter ein Grund, warum ich ursprünglich eigentlich ein Implantat von Cochlear haben wollte. Allerdings gab es andere Gründe für MED-EL, die ich am Anfang meines Blogs ausführlich beschrieben habe. Ich denke, dass dieses Feature auch bei der nächsten Generätegeneration von MED-EL verfügbar sein wird. Andere Hersteller kommen für mich natürlich nicht in Frage, weil die Implantate selbst nur mit Soundprozessoren desselben Herstellers zusammenspielen. Um den Hersteller zu wechseln, müsste man eine Re-Implantierung durchführen; das macht man allerdings nur dann, wenn die Implantate defekt oder zu alt geworden sind, um mit aktuellen Geräten kompatibel zu sein. Man geht dabei von 20-30 Jahren aus. Was dann medizinisch möglich sein wird, kann man nur erahnen.

Ich freue mich einfach auf die nächsten 30 Jahre mit funktionierenden Ohren und hoffe, dass ich zum Telefonieren bald weniger Equipment benötigen werde.