Tag 116/54 – Training

Auch, wenn ich mit meinen Hörimplantaten hervorragend schon nach kurzer Zeit hervorragend hören kann, gibt es noch Einiges zu verbessern. Vor allem beim Verstehen bei Störgeräuschen und dem Verstehen englischer Sprache gibt es noch viel Potential. Wie trainiere ich das?

Die Trainings-Apps, die ich mir während der Erstanpassungswoche für mein erstes Cochlea-Implantat besorgt habe, nutze ich ehrlich gesagt gar nicht mehr, obwohl sie teilweise nicht schlecht sind. Ich habe heute noch eine weitere Hörtrainings-App auf mein Smartphone geladen, die insbesondere gut für das Training im Störschall ist: Schallquelle. Diese App gibt es leider nur für Android-Handys. Sie ist kostenlos, aber wenn man das volle Trainingsprogramm nutzen möchte, muss man 3,59 EUR bezahlen. Das ist verschmerzbar. Die App ist gut zu bedienen; leider gibt es nur ein Störgeräusch und man kann dieses nicht in der Lautstärke variieren. Da ich bei einem ersten Versuch fast alles verstanden habe, werde ich diese App nicht mehr nutzen. Für CI-Träger, die noch nicht so weit sind, ist das aus meiner Sicht eine sinnvolle Investition.

Mein Training ist der Alltag:

  • Ich höre nach wie vor sehr viel und sehr unterschiedliche Musik.
  • Ich versuche, täglich zu telefonieren: Nicht nur mit meinem Bluetooth-Set, das den Ton des Smartphones direkt in beide Soundprozessoren schickt, sondern manchmal auch einfach nur mit dem Telefon am rechten oder linken Ohr. Dazu ist ein bißchen Überwindung notwendig. Nach jahrelangem nicht-hören-können jetzt freiwillig auf das optimale, beidseitige Hörerlebnis zu verzichten und sich stattdessen freiwillig eine schwierige Situation einzulassen ist nicht wirklich einfach.
  • Ich schaue Abends häufiger fern und versuche, Filme auch ohne Untertitel zu verstehen. Das ist eine prima Störschall-Übung, weil bei Gesprächen in Filmen häufig Musik oder Alltagsgeräusche im Hintergrund zu hören sind.
  • Ich versuche so oft wie möglich, Englisch zu verstehen und schaue Nachrichten auf CNN oder BCC, englischsprachige Youtube-Videos auf dem Rechner oder Podcasts.
  • Wenn ich Freunde aus England oder den USA treffe, versuche ich, das Gespräch auf Englisch zu führen.
  • Beim Autofahren höre ich häufig Radio und versuche, Nachrichten, Verkehrsdurchsagen oder Ansagen zu verstehen.

Ganz wichtig ist, dass man sich Pausen gönnt. Manchmal schaue ich auch einfach einen Film mit Untertiteln, wenn ich mich entspannen möchte. Und freue mich dann darüber, wenn ich höre, dass etwas anders gesagt wurde, als die Untertitel anzeigen. Untertitel werden vereinfacht, damit man mit dem Lesen mitkommt – wenn man alles Wort für Wort anzeigen würde, wäre es zu viel Text.

Machmal höre ich auch ein paar Stunden gar nichts, weil ich Ruhe brauche. Manchmal nehme ich die Soundprozessoren ab, um meine Hörnerven zu regenerieren. Manchmal gehe ich nicht ans Telefon, weil ich nicht voll konzentrationsfähig sind. Und WhatsApp-Sprachnachrichten, die eigentlich ein gutes Training sind, höre ich manchmal erst nach einigen Stunden, wenn ich Zeit und Ruhe dafür habe.

Auch in Gruppen oder Meetings schalte ich mich nach wie vor manchmal für ein paar Minuten ab und steige aus Unterhaltungen aus, wenn es mir zu viel wird. Sonst nimmt irgendwann die Frustration überhand – und das wäre schade. Denn letztendlich ist jedes Hören und Verstehen für mich ein Riesengewinn und eine tolle Sache.

1 Kommentar zu „Tag 116/54 – Training“

  • Du machst es genau richtig, Chris, intuitiv machst du es so, wie es sein sollte.

    Eine Mischung aus Alltag, Training und auch Ruhe, die Wertschätzung dessen, was du hast und was noch fehlt und das sich immer wieder Klarwerden der Hörsituationen an sich.

    Manchmal ist eine App oder ein Hör-Trainingsprogramm für den Anfang prima, aber abhängig vom Hörstatus kann man durchaus auch schneller damit „durch“ sein als geplant und man sucht andere Quellen zur Herausforderung und damit des Trainings und man findet sich im Grunde damit auch im Alltag wieder, denn der bietet im Prinzip die besten Herausforderungen an sich.

    Das zeigt mir z.B. auch dein Telefonierverhalten. Das relativ freie Telefonieren ist für uns Hörgeschädigte auch eine extreme Überwindung, weil hier nicht nur das Hören an sich im Fokus steht, sondern auch das Wahrnehmen des Gegenübers und dessen versteckte Hörbotschaften und die verstandesverarbeitende Basis.

    Und glaube mir, es gibt immer irgendwo einen Menschen, den man NICHT am Ohr haben möchte, ob nun hörstatusmäßig oder auch menschenmäßig und das kann auch durchaus belastend sein und stellt auch eine Herausforderung an sich selbst dar.

    Also Hut ab bei allem, was du bisher seit der 1. OP alles bewältigst – und dein 2. Ohr wird auch nachziehen, ob mehr oder weniger, wird die Zeit zeigen.

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