Tag 71/8 – Übersetzungshilfe

Was ich gar nicht kann: Verhandeln. Ich meine nicht zwischenmenschliche Dinge – darin bin ich eigentlich ganz ok. Aber sobald es um Geschäftliches geht, muss ich passen. Es gibt vermutlich niemanden, der weniger Nachlass beim Autokauf oder bessere Preise beim Verkauf von Gegenständen aushandeln kann, als ich. Vielleicht sollte ich daraus ein Geschäftsmodell entwickeln: Wenn Firmen pleite gehen sollen: Stellt mich als Sales Manager ein. Spätestens nach 12 Monaten sind die Einkaufskosten so hoch und die Verkaufskosten so niedrig, dass Insolvenz angemeldet werden kann. Deal?

Da unser Familienauto den Geist aufgegeben hat, muss ein neuer Gebrauchtwagen her. Wir haben uns bereits einige Fahrzeuge angeschaut und letztendlich haben wir nichts gekauft, weil ich die Verkäufer einfach nicht dazu bewegen konnte, sich auch nur minimal im Preis nach unten zu bewegen. Vielleicht bin ich einfach zu nett oder das Gegenteil – ich weiß einfach nicht, wie man günstige Preise bekommt. Das ist in solche Situationen ärgerlich, aber da ich nicht ständig größere Dinge kaufe oder verkaufe, kann ich gut damit leben. Man kann nicht alles können.

Eine Hörschädigung ist beim Aushandeln von Preisen natürlich kein Vorteil. In solchen Verkaufsgesprächen muss man gut hören. Man muss wissen, wann man einlenken muss und wann man hartnäckig sein kann. Man muss den Gegenüber kommunikativ lesen können. Man muss merken, wann Ende der Fahnenstange ist und in welchem Moment es Sinn machen kann, weiter zu bohren. Ich bin eigentlich der Alptraum aller Autoverkäufer, weil es für mich nur den Angebotspreis und einen letzten Preis gibt, den ich direkt erfahren will. Der Weg vom ersten zum zweiten Preis ist mir zu beschwerlich.

Dennoch rufe ich heute mehrere Autohändler an, die Modelle verkaufen, die für uns interessant sind. Und alle diese Gespräche laufen gut – ich verstehe fast alles, muss ein oder zweimal nachhaken aber insgesamt klappt es viel besser, als ich erwartet habe. Natürlich bekomme ich auch mit Implantaten nicht die Angebote, die ich mir wünsche. Dafür gibt es leider kein Programm im Soundprozessor. Aber alles andere klappt prima. Letztendlich vereinbare ich einen Besichtigungstermin am Samstag im Weserbergland. Weitgehend alleine. Ich bin stolz wie Oskar.

Beim Telefonieren ist meistens noch die ErstBesteHälfte dabei, um einzuspringen, wenn ich etwas gar nicht verstehe. Ich bemerke heute, dass ich ins Schleudern komme, wenn ich mich weg vom Gesprächspartner am Telefon und hin zur EBH wende: Sobald ich versuche, von ihrem Mundbild abzulesen, was gesagt wurde, fehlt die Konzentration auf das Gehörte komplett und ich schmiere am Telefon ab. Die Hilfestellung wird zum Bremsblock. Das ist ein bißchen wie bei Untertitelungen im Fernsehen: Sobald ich die Untertitel lese hat mein Gehirn nicht mehr ausreichend Ressourcen, um sich voll auf das Gesprochene zu konzentrieren.  Oder es wird schlagartig zu faul.

Ich werde mich in Zukunft am Telefon selber durchschlagen müssen. Lieber ein- oder zweimal rückfragen, als auf das Hilfestellungs-Gleis wechseln. Natürlich ist es immer gut, eine Nothaltestelle parat zu haben, die im schlimmsten Fall übernehmen kann. Aber vermutlich werde ich diese Nothaltestelle, meine übersetzende ErstBesteHälfte, in Zukunft gar nicht mehr brauchen.

1 Kommentar zu „Tag 71/8 – Übersetzungshilfe“

  • Grins… Bei dem Geschäftsmodell steige ich mit ein. Scheint in der Familie zu liegen. Ich finde Handeln hochnotpeinlich und kann das gar nicht. Junior II ist allerdings ein Meister darin! Also es besteht noch Hoffnung…

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